Stadtmagazin Witten: Junges Witten

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Die Initiative ›Mentor – die Leselernhelfer‹ bringt Ehrenamtliche mit Wittener Grundschulkindern zusammen

Wer in andere Welten reisen möchte, muss dafür nicht in die Bahn oder den Flieger steigen, sondern einfach in ein Buch eintauchen. Spannende Geschichten zu erleben und neue Sicht- und Lebensweisen kennenzulernen, bereichert enorm und ist Grundlage allen Lernens. Doch jedes vierte Kind kann nicht richtig lesen. Das will die Initiative ›Mentor – die Leselernhelfer‹ ändern. Sie vermittelt seit 11 Jahren Ehrenamtliche in Wittener Grundschulen – und würde sich über neue Lesementoren sehr freuen.

Entspannte Lernatmosphäre ohne Leistungsdruck

Wenn Udo Osthaus an dieses Treffen im vergangenen Jahr zurückdenkt, ist er noch immer zutiefst gerührt. Der ehemalige Direktor der Firmenkundenabteilung der Sparkasse Witten engagiert sich seit seinem Eintritt in den Ruhestand vor acht Jahren als Lesementor an der Gerichtsschule. Einmal in der Woche schenkt er dort bis zu drei Kindern, bei denen es mit dem Lesen und Textverständnis hapert, jeweils eine Stunde Zeit und Zuwendung in einer entspannten Lernatmosphäre und ohne Leistungsdruck. Im letzten Sommer kam die Mutter eines seiner ersten Lesekinder auf ihn zu und fragte, ob ihr Sohn ihn einmal anrufen dürfe. Dieser habe nun seinen Realschulabschluss erlangt und wolle sich bei ihm für seine so wichtige Unterstützung damals bedanken. »Wir sind dann zusammen ein Eis essen gegangen, was unglaublich schön und das Highlight meines bisherigen Lesepatenlebens war«, sagt Udo Osthaus. Ihn begeistert das Lesen seit seiner Kindheit: »Es war und ist mein Ein und Alles.«

113 Mentorinnen und Mentoren

Diese Freude auch an jene weiterzugeben, die gerade damit anfangen, dabei aber große Schwierigkeiten haben, ist Ziel der Wittener Initiative ›Mentor – die Leselernhelfer‹. Sie entstand 2014 dank einer Nachbarschaftshilfe, denn der Bochumer Verein MENTOR gab seinerzeit die Initialzündung für die Wittener Leseförderer. Sie gründeten jedoch keinen eigenen Verein, sondern schlüpften als Initiative unter das Dach von LitWIT, dem Förderverein der Bibliothek Witten e. V. (siehe Kasten). Anfangs engagierten sich rund zehn Personen als Mentoren, die Buchhandlung Lehmkul stand für Treffen und Fortbildungen zur Verfügung. Denn die Bibliothek Witten in der Husemannstraße 12 war damals gerade erst im Bau. Seit Juni 2016 ist sie die feste Heimat von MENTOR. »Wir haben hier wunderschöne Räumlichkeiten für unsere Mentoren-Treffen sowie für Workshops und zudem ein optimales Angebot an Büchern und anderen Lernhilfen«, freuen sich Heide Kalkoff, die seit Beginn an die Arbeit der Wittener Initiative organisiert, und Ellen Bobe-Kemper, die 2. Vorsitzende von LitWIT.

An jeder Grundschule hilfreich aktiv

Beide sind einmal die Woche auch selbst in einer Grundschule aktiv und gehören damit zum Team von mittlerweile 113 Lesementorinnen und -mentoren. Zu ihnen zählen Studenten, Rentner, eine Physiotherapeutin, eine Steuerberaterin, ein Feuerwehrmann oder auch eine Bankkauffrau, die von ihrem Arbeitgeber für ihr ehrenamtliches Engagement sogar stundenweise freigestellt wird. Das kontinuierliche Wachstum des Mentoren-Teams hat mittlerweile zu veränderten Strukturen geführt. »Anfangs sind wir noch zu den einzelnen Schulen gefahren, um dort jeden neuen Mentor persönlich einzuführen«, erzählt Heide Kalkoff. Bei der Vielzahl der Lesehelfer sowie mittlerweile 15 beteiligten Grundschulen ist das jedoch nicht mehr zu leisten. Stattdessen fungiert nun an jeder Grundschule eine Mentorin als Koordinatorin.

Wertvolle 1:1-Förderung

»Die Arbeit der Mentorinnen und Mentoren ist für uns als Lehrkräfte, aber ganz besonders für die Kinder eine wichtige Unterstützung und zwischenmenschlich eine enorme Bereicherung«, sagt Dörthe Diefenbruch, Leiterin der Pferdebachschule und eine der Sprecherinnen aller 17 Wittener Grundschulen. Es komme einmal in der Woche jemand, der nach Zustimmung der Eltern eine Stunde lang seine ganze Aufmerksamkeit und Zeit nur einem Kind widme. In enger Zusammenarbeit mit der Lehrkraft, aber auch nach den Wünschen des Kindes werden altersgemäße Geschichten ausgesucht und gelesen. »Die Mentoren führen die Jungen und Mädchen aber nicht nur durch das Buchstabenlabyrinth, sondern bringen darüber hinaus auch ein offenes Ohr, Geduld und Fröhlichkeit mit«, so die Schulleiterin.

Der Schlüssel für alles

Bei manchmal 27 Kindern in einer Klasse könnten die Lehrkräfte dies so intensiv gar nicht leisten, ebenso wie aus verschiedensten Gründen auch nicht die Eltern. Dabei sei das Lesen der Schlüssel für alles – auch für den Schulerfolg und das spätere Berufsleben. Ihr ist es ein Anliegen, im Namen aller Wittener Grundschulen der Initiative MENTOR sowie allen Leselernhelferinnen und -helfern für ihren liebevollen und zuverlässigen Support in all den Jahren zu danken. »Das ist wirklich großartig«, hebt Dörthe Diefenbruch hervor.

Neue Leselernhelfer gesucht

Der Förderbedarf ist groß, und er steigt. Daher werden weitere Leselernhelferinnen und -helfer gesucht. Sie benötigen für die ehrenamtliche Arbeit keine besonderen pädagogischen Vorkenntnisse, sollten nur Freude und Geduld beim Umgang mit Kindern, Zuverlässigkeit und ein freundliches Wesen mitbringen. »Im Vordergrund steht der gemeinsame Spaß am Lesen und zusammen über das Gelesene zu sprechen, um auch das Textverständnis zu verbessern«, so Ellen Bobe-Kemper. Voraussetzung ist die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses.

»Man bekommt mehr zurück, als man gibt.«

Das MENTOR-Team unterstützt seine Leselernhelferinnen und -helfer mit einem vorbereitenden Einführungskurs, umfangreichen Tipps und diversem Material sowie mit verschiedenen Fortbildungen und regelmäßigem Erfahrungsaustausch. Von der Bibliothek Witten erhalten die Mentorinnen und Mentoren kostenlose Leseausweise, Buchvorschläge sowie eine Versicherung für Ehrenamtler. »Außerdem stellen wir unsere Räume für MENTOR zur Verfügung, denn deren Arbeit ist für uns ebenso wertvoll und wichtig wie die des Fördervereins«, betont Christine Wolf, Leiterin der Wittener Bibliothek. Udo Osthaus jedenfalls kann das Engagement als Mentor nur weiterempfehlen: »Die Stunden mit den Lesekindern sind sehr erfüllend und man bekommt mehr zurück, als man gibt.«

Der Bundesverband MENTOR

Immer mehr Mädchen und Jungen haben bedenkliche Lücken in der Lese-, Schreib- und Sprachkompetenz. Diese versucht der Verein ›MENTOR – die Leselernhelfer‹ mit einer gezielten 1:1 Einzelförderung von Jungen und Mädchen zwischen sieben und elf Jahren zu schließen. MENTOR entstand aus der Idee des Buchhändlers Otto Stender, der 2003 in Hannover den ersten ›Leselernhelfer-Verein‹ ins Leben rief. 2008 gründete sich dann der Bundesverband, dem heute bundesweit rund 130 Vereine und 10 kooperierende Initiativen angehören, darunter die Wittener. Landauf, landab fördern 16.000 ehrenamtlich Aktive rund 21.000 Lesekinder.
www.mentor-bundesverband.de

Wer Interesse hat, sich als Mentor oder Mentorin einzubringen, findet ­Informationen und Kontaktmöglichkeiten unter www.mentor-litwit.de

Der Förderverein LitWIT

Die Arbeit der Bibliothek Witten auf vielfältige Weise zu unterstützen ist Ziel des Fördervereins LitWIT e. V., zu dem seit 2014 die gemeinnützige und ehrenamtliche Initiative MENTOR gehört. Sie ist als 50. Mitglied Teil des MENTOR Bundesverbandes (siehe Kasten). Neben der Leseförderung von Kindern und Jugendlichen organisiert LitWIT Büchervorstellungen und Autorenlesungen. Zudem unterstützt der Verein verschiedene Aktivitäten und Angebote der Bibliothek wie Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche, Lesungen zur Demokratieförderung oder auch den Sommerleseclub.
www.litwit.de

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