Stadtmagazin Witten: In der Stadt

Eine nachhaltige Schnittstelle

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nouranour ist ein interkulturelles Modelabel und ein besonderes Sozialunternehmen von Frauen für Frauen

Vielfalt tragen und gemeinsam weitertragen: In der Näh- und Lernwerkstatt sowie im Showroom an der Ruhrstraße 18 wird dies sicht- und erlebbar. Bei nouranour treffen sich Frauen unterschiedlichster Herkunft, um nachhaltige, interkulturelle Mode zu schneidern und zugleich neue berufliche Perspektiven für sich zu entwickeln. Zudem gibt’s Nähkurse für Kinder, Upcycling-Projekte oder auch ein Repair-Café.

Verantwortung übernehmen, Initiative ergreifen

Wer die Gegenwart verstehen will, muss manchmal erst in die Vergangenheit reisen. So ist es auch bei nouranour. Der Grundstein dieser einzigartigen Näh-, Kreativ- und Lernwerkstatt wurde bereits 2015 in Bremen gelegt. Dort formierte sich während der damaligen Flüchtlingswelle der Verein ›Signal of Solidarity e. V.‹, der in verschiedenen europäischen Ländern wie Italien und Griechenland humanitäre Hilfe leistete. Mit dabei waren zwei Studentinnen der Universität Witten/Herdecke – eine von ihnen war Lilia Andreae Galarza. Die gebürtige Peruanerin kam 2008 als Au-pair nach Deutschland, holte hier ihr Abi nach und nahm schließlich an der hiesigen Uni ihr Wirtschaftsstudium auf. In einem Flüchtlingslager in Griechenland baute sie für den Verein eine kleine Schule mit auf, deren Lehrerinnen und Lehrer im Camp wohnten. »Das war eine sehr prägende Erfahrung. Denn ich habe gesehen, wie man im Kleinen für jeden Menschen etwas Großes ändern kann«, so die 36-Jährige. Sie stellte fest, wie wichtig zuhören, gebraucht werden, Verantwortung übernehmen und Initiative ergreifen ist.

Wichtiger Wunsch wird Wirklichkeit

Letztere ergriff zeitgleich auch Kordula Magiera in Witten: Die Schneidermeisterin bot im Rahmen der Aktivitäten von ›Vielfalt ist ein Geschenk‹ – angeschoben von zahlreichen Akteuren der Stadt, unter ihnen Studierende der Uni Witten/Herdecke – einmal in der Woche einen Nähkurs für geflüchtete Frauen an. Als das Projekt 2019 auslief, wollte sie den Kurs gerne weiterführen – und fand in Julia Ebner und Lilia Andreae Galarza zwei, mit denen sie diesen Wunsch Wirklichkeit werden ließ. Sie überführten den Verein ›Signal of Solidarity e. V.‹ von Bremen nach Witten und gründeten unter seinem Dach das Modelabel ›nouranour‹.

Miteinander leben und weitergeben

Das Wort ›nour‹ stammt aus dem Arabischen und bedeutet Licht, ›noura‹ ist das lateinische Pendant. „Das Zusammenfügen dieser beiden Wörter steht symbolisch als Beispiel für eine Form des Miteinanders, das wir bei nouranour leben und weitergeben wollen“, erläutert Lilia Andreae Galarza. Jede Frau, egal woher sie kommt und was sie kann, bringt sich mit dem ein, was sie ist: »So kann viel Neues entstehen und sich jede mit ihren Fähigkeiten wiederfinden.«

Raum für kreatives Miteinander

Gestartet ist nouranour damals in der PROJEKTFABRIK, die im gleichen Haus wie das Café Leye untergebracht ist. 2020 fand dann eine große Crowdfunding-Spendenaktion statt, bei der Geld für ein eigenes Ladenlokal gesammelt wurde. »Wir waren sehr risikofreudig, aber auch sicher, dass nouranour eine Zukunft hat. Wir haben unser Glück gesucht – und in der Ruhrstraße 18 schließlich gefunden«, sagt Lilia Andreae Galarza. Die Räume mitten im Stadtzentrum sind perfekt geeignet: zum Arbeiten, für die Kinderbetreuung und auch für den Verkauf der genähten Kleidungsstücke und Accessoires. »Und wir sind hier viel sichtbarer geworden, das war unser Ziel«, so die 36-Jährige. In der keinen Näh-, Kreativ- und Lernwerkstatt, in der große Tische zum Zuschneiden der Stoffe und zahlreiche Nähmaschinen stehen, ist genügend Platz für die Herstellung von interkultureller, nachhaltiger Mode. Und es ist hier zugleich ein Raum für kulturelle Bildung entstanden, in dem der Austausch, das Miteinander und die gesellschaftliche sowie die wirtschaftliche Teilhabe eine große Rolle spielen.

Hilfe und Motivation

Der Morgen bei nouranour gehört wochentags zehn Frauen aus unterschiedlichen Ländern, die hier gemeinsam nähen. Sie kommen aus Deutschland, aber auch aus Syrien, Somalia oder auch der Ukraine. Gerade für Letztere ist diese Arbeit enorm wichtig, denn sie müssen so nicht länger isoliert daheimbleiben und können außerdem ihre Deutschkenntnisse verbessern. Mitgefördert wird diese Arbeitsmaßnahme vom Jobcenter. »Wir organisieren auch die Kinderbetreuung, so dass sich die Frauen ungestört mit dem Format Arbeit beschäftigen können. Wir helfen ihnen bei Formalien, motivieren sie, unterstützen bei der Praktikumssuche oder auch beim Bewerbungen Schreiben«, erzählt Lilia Andreae Galarza. Ziel dieses gemeinsamen Engagements ist es nicht unbedingt, einen Job als Näherin zu finden. Einige haben beispielsweise schon eine Anstellung in der Pflege, in der Küche oder der Kinderbetreuung erhalten.

»Die Kurse werden super angenommen!«

Nachmittags ab 14 Uhr finden in dem kleinen Ladenlokal Näh- und Häkelkurse für handarbeitsbegeisterte Kinder und Erwachsene statt. Geleitet werden sie von ehrenamtlichen, erfahrenen Expertinnen. »Die Kurse werden super angenommen. Wer Lust hat, gerne selbst einen Kurs zu leiten, ist herzlich willkommen, denn interessierte Teilnehmende stehen schon in den Startlöchern«, sagt die nouranour-Gründerin. Im Showroom, der direkt neben der Werkstatt liegt, werden die von den professionellen Näherinnen entworfenen, handgenähten Kleidungsstücke verkauft. Sie sind so geschnitten, dass sie Frauen aus unterschiedlichen Kulturen tragen können. »Dabei legen wir Wert darauf, dass die Stoffe, mit den wir arbeiten, umweltfreundlich sind und in einem Kreislaufsystem wieder verwendet werden können«, so Lilia Andreae Galarza.

Nachhaltigkeit wird großgeschrieben

Apropos Wiederverwertung: Weiteres Standbein von nouranour ist das Upcycling. Textilien oder Materialien aus Bannern, Postern oder Werbematerialien erhalten dabei ein zweites Leben. Daraus entstehen unter dem Label ›upnour‹ unter anderem Computertaschen oder Kosmetikbeutel. Im Sinne der Nachhaltigkeit verwertet nouranour auch Abfallprodukte von heimischen Firmen und gestaltet daraus für sie ein neues, maßgeschneidertes Produkt. So wurden beispielsweise für das Wittener Kijamii Café in der Oberstraße Kaffeesäcke aus Tansania zu schicken Shoppern umgearbeitet. Nachhaltigkeit wird auch im nouranour-Repair-Café großgeschrieben: Jeden ersten Samstag im Monat öffnen sich die Türen der Nähwerkstatt von 10 bis 16 Uhr für all jene, die eigenständig Textilreparaturen vornehmen wollen. Die Maschinen werden zur Verfügung gestellt, Garn oder Knöpfe müssen mitgebracht werden. Seit Mai dieses Jahres werden überdies Reparaturen und Änderungen von Textilien täglich von 10 bis 18 Uhr durchgeführt.

Unterstützung? Ausgesprochen gern!

Das gesamte Projekt – von der Miete über die Neben- bis hin zu den Personalkosten – trägt sich durch Spenden und Fördermittel sowie den Verkauf der Mode und der Upcycling-Produkte. Die Förderung der RAG-Stiftung, die seit Beginn für Personalkosten der Nähwerkstatt sowie des Showrooms aufgewendet wurde, läuft in diesem Jahr aus, ebenso wie Sozialprogramme der Landesregierung. »Daher würden wir uns sehr über Unterstützung freuen«, sagt Lilia Andreae Galarza (siehe Kasten).

Support willkommen

nouranour ist auf vielseitige Unterstützung angewiesen: Stoffspenden (keine Kleidungsstücke) werden ebenso dankbar angenommen wie direkte Hilfe. Wer mitmachen möchte, kann sich im nouranour Showroom, Ruhrstraße 18, 58452 Witten melden. Er ist montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Wer nachhaltig gelebte und getragene Vielfalt gerne finanziell unterstützen möchte, kann dies hier tun:
Spendenkonto Signal of Solidarity e.V.
GLS Bank
IBAN: DE08 4306 0967 1174 1816 00
Weitere Infos unter www.nouranour.org

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