Stadtmagazin Witten: In der Stadt

»Ich liebe besondere Bücher«

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Traditionsbuchhandlung sucht Nachfolgerin

Es gibt diese Orte, an denen man sich gleich wie zu Hause fühlt: Die Tür steht einladend offen, Bücherregale reichen bis unter die Decke. Im Kassenbereich zieht eine Neuerscheinung die Blicke auf sich: ›Der Buchladen am Ende der Welt‹ lautet der Titel des Werkes, das eine abenteuerliche Geschichte über das Leben und die Liebe zum Lesen erzählen soll. Wie passend! Die wahre Geschichte, der wir uns heute widmen, spielt zwar nicht am Ende der Welt, sondern im Herzen von Witten: in der altvertrauten Buchhandlung Lehmkul. Abenteuerlich ist sie aber auch!

Eine wahre Geschichte

»Ich war immer eine begeisterte Leserin, Bücher waren seit jeher Bestandteil meines Lebens«, sagt Buchhändlerin Dr. Sabine Wirths-Hohagen, die das kleine Geschäft am Markt im Jahr 2006 übernommen hat. Allein wie es dazu kam, ist schon eine Anekdote wert. Die gebürtige Moerserin hatte Politikwissenschaften, Publizistik und Soziologie studiert, war beruflich in Potsdam verwurzelt – »bis mein Mann mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, eine Buchhandlung zu übernehmen. Er kommt ja aus Witten, war Stammkunde bei Lehmkul und hatte erfahren, dass das Ehepaar aus Altersgründen schließen wollte. Ich bot an, das Geschäft weiterzuführen, und bin dann auch dafür hergezogen.« Dr. Sabine Wirths-Hohagen trat in große Fußstapfen: Der 1934 als Leihbücherei gegründete Familienbetrieb hatte schon damals eine lange Tradition. »Ich bin ins kalte Wasser gesprungen. Allerdings war ich über meinen Mann abgesichert. Norbert und Gisela Lehmkul standen mir zunächst noch unterstützend zur Seite. Und mit Koenemann und KNV hatte ich zwei zuverlässige Zwischenbuchhändler im Rücken.«

»Wenn sich zwei Buchseelen begegnen«

Der Fokus lag von Beginn an auf ausgewählten Werken und Veranstaltungen. Die anfängliche Sorge, das E-Book könne das gedruckte Buch ablösen, erwies sich zum Glück als unbegründet. »Unsere Leserinnen und Leser wollen Seiten umblättern, ein Buch erlesen, es zerlesen«, so Dr. Sabine Wirths-Hohagen. »Das hat schon fast etwas Spirituelles.« Was sie selbst am liebsten liest? »Ich liebe besondere Bücher. Geschichten, die mich sprachlich faszinieren, mich eintauchen lassen, zum Schmunzeln bringen und einfach eine Bereicherung sind. Außerdem habe ich eine Schwäche für wunderschöne Bilderbücher, die es inzwischen für ›All Age‹ gibt. Als Händlerin muss man immer auf der Pirsch sein. Natürlich können wir alles bestellen. Aber es ist nicht die Fülle, die uns ausmacht. Es sind die Gespräche, Empfehlungen und Rückmeldungen. Diese Momente, wenn sich zwei Buchseelen begegnen. Wenn mir jemand sagt, das Buch war wirklich toll, fühlt sich das wie eine Umarmung an. Ja, Lesen verbindet!«

Bewegte Zeiten

Während die originalen Eichenmöbel von einst im Geschäft bleiben durften, wurde der Lagerraum im ersten Stock komplett umgestaltet. Hier entstand eine gemütliche Location mit Küche, kleiner Bühne inklusive moderner Vortragstechnik und Beleuchtung sowie einer Galerie. Die Inhaberin erinnert sich an bewegte Zeiten: AutorInnen, SchauspielerInnen, Comedians und MusikerInnen gaben sich die Klinke in die Hand, darunter bekannte Namen wie Sebastian Fitzek, Lars von der Gönna, Christian von Ditfurth, Reinhard Junge oder Blanche Kommerell. Kinder gruselten sich zu Halloween bei Kerzenschein oder feierten Harry-Potter-Nächte mit ›Butterbier‹. Zu Weihnachten wurde aus vollem Halse gesungen. Häufig kam das Klavier zum Einsatz. Beliebt waren auch die Leseabende der Wittener Seniorenvertretung – zwei dieser Termine stehen noch aus. »Wir waren das Wohnzimmer der Stadt – und sind es noch«, schwärmt Dr. Sabine Wirths-Hohagen. Gerne denkt sie auch an die Veranstaltungsreihe ›Witten mal woanders‹, im Zuge derer Gäste an einen Wittener Ort außerhalb der Buchhandlung eingeladen wurden, oder an die Gruppenfahrten nach Frankfurt und Leipzig, bei denen der Messebesuch mit einem Rahmenprogramm verknüpft wurde. Und sie kann immer noch nicht so recht glauben, dass all dies bald ein Ende haben könnte.

»Ich würde es mir für Witten wünschen«

Der Vorhang fällt voraussichtlich im März 2025 mit dem Auslaufen des aktuellen Mietvertrags – wenn sich bis dahin keine Nachfolgerin findet. »Ich konnte mir nie vorstellen, einen Schlussstrich zu ziehen, aber ich werde bald 66, und in dem Alter ist es eben nicht mehr wie mit dreißig, wenn sich das ganze Universum vor einem ausbreitet«, so Dr. Sabine Wirths-Hohagen. Doch sie will die Hoffnung nicht aufgeben. »Vielleicht findet sich ja noch jemand mit Leidenschaft, der mit Teilen meines tollen Lehmkul-Teams oder einer neuen Mannschaft weitermachen möchte. Ich würde es mir für Witten wünschen.« Wir vom Stadtmagazin drücken jedenfalls die Daumen, dass das Abenteuer weitergeht und in der kleinen Buchhandlung im Herzen der Stadt noch lange Licht brennt!

Lehmkul · Buchhandlung am Markt

Marktstr. 5 · 58452 Witten · Tel. 0 23 02 / 5 19 10
www.lehmkul-witten.de

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