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Großes Engagement für ein einmaliges Kleinod

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Viele Ehrenamtliche erwecken den Günnemann- Kotten gemeinsam wieder zum Leben

Sie schreiben die Geschichte dieses historischen Ortes weiter: Seit die Mitglieder des Günnemann-Kotten e. V. das denkmalgeschützte Haus samt seines wunderschönen Grundstücks 2019 ersteigern konnten, haben sie viel bewegt. Gemeinsam werkeln sie daran, aus diesem einst verfallenen Hof ein lebendiges Begegnungs- und Bildungsquartier entstehen zu lassen. Am 21. April laden sie zur Pflanzentauschbörse.

Historischer Hof – wahrer Herzensort

Samstagmorgens um 10 Uhr an der Brunebecker Straße 98 in Rüdinghausen: Die Vögel zwitschern, Hahn Arthur und seine fünf Hühner scharren und gackern herum. Die Natur ist im Frühlingsmodus, es sprießt und blüht schon an vielen Ecken, der Bach Brunebecke plätschert am einstigen Gänsestall vorbei. Nach und nach trudeln Frauen, Männer und Jugendliche in Arbeitskleidung am Günnemann-Kotten ein. Einige beackern den historischen Gemüsegarten und bereiten die mehr als 20 Beete für die Aussaat vor, andere verpassen der Giebelwand einen neuen Anstrich, die nächsten ziehen im Haus die letzten Mauern auf dem Dachstuhl hoch. Für die Mitglieder des Vereins ist die alte Hofstelle mit dem denkmalgeschützten Fachwerkhaus und seinem über 6.000 qm großen Grundstück längst zu einem Herzensort geworden.

Gemeinsam etwas für die Zukunft bewegen

»Das ist etwas ganz Besonderes hier. Und ich finde es klasse, dass ich helfen kann, das Fachwerkhaus, das so viel Geschichte enthält, wieder mit aufzubauen«, sagt Theo Henrichsen. Mit 13 Jahren ist er eines der jüngsten Mitglieder des Vereins, etwas mehr als 100 gehören inzwischen dazu. Sie alle wollen zusammen etwas vor Ort und für die Zukunft bewegen. Ihr Ziel ist es, hier ein Begegnungs- und Bildungszentrum zu schaffen. Angedacht ist ein Nachbarschaftstreff für Jung und Alt mitsamt Café, Repair-Café, Küche, Archiv, Leseraum und Geschichtszentrum, das die spannende Historie dieses schönen Ortes bewahrt und erzählt.

Ein Ort mit Geschichte(n)

Könnte der Günnemann-Kotten sprechen, ließen sich mit seinen Geschichten Bände füllen. Immerhin lässt sich die Hofstelle in Wittens östlichem Stadtteil bis ins Jahr 1668 zurückverfolgen. Seither hat sie viel erlebt. 2002 wurde das Fachwerkhaus, das viele Jahre leer stand und zu verrotten drohte, unter Denkmalschutz gestellt. Nach zahlreichen vergeblichen Anläufen, den Kotten von einer Erbengemeinschaft zu kaufen, konnte der im Jahr 2000 gegründete Verein Günnemann-Kotten e. V. den Hof bei einer Zwangsversteigerung 2019 erstehen. Dies kostete Nerven und am Ende 209.000 Euro. Geld, das die engagierten Retterinnen und Retter zuvor auf vielfältige Weise gesammelt hatten.

Enorme Baufortschritte

Was seitdem im und um das Gebäude herum passiert ist, sucht seinesgleichen. Zwar gerieten die Arbeiten durch die Corona-Pandemie immer wieder ins Stocken, doch seit 2021 sieht man fast Woche für Woche die großen Fortschritte an Dach und Fach, am Haus und auf dem Hof. Allein diese Zahl sagt mehr als 1.000 Worte: 4.387,5 Stunden ehrenamtliche Arbeit stecken bereits in dem Projekt. Dies entspricht einem Geldwert von 65.812,50 Euro. »Das ist wirklich beeindruckend«, sagt Marc Junge. Der Historiker setzt sich schon seit Jahrzehnten für die Rettung des einzigartigen Kleinods ein und ist seit der Gründung der Vorsitzende des Vereins. Die gelebte Vielfalt ist es, die die Mitglieder des Günnemann-Kotten e. V. antreibt und nicht nur den historischen Gemüsegarten wieder zum Gedeihen bringt. Ein großer Baustein ist die denkmalgerechte Sanierung des maroden Fachwerkhauses. Zunächst haben die Zimmerer der Firma Lehmundo, die für die Bauleitung verantwortlich zeichnet, fachmännisch das marode Holz ersetzt. Mit vereinten Kräften haben die Mitglieder dann seit Oktober 2021 die zuvor freigelegten Gefache wieder zugemauert. Mittlerweile sind die Außenwände des Kottens vollständig saniert. Auch die alten Fenster, vom Werkhof Witten frisch restauriert, erstrahlen in neuem Glanz.

Meilenstein Richtfest

Im Oktober 2023 stiegen die Ehrenamtlichen ihrem Kotten aufs Dach und deckten in einer konzertierten Aktion die mehr als 4.000 Dachziegel ab. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit 63 Jahren mal auf einem Dachstuhl rumklettere und gemeinsam mit 25 Leuten innerhalb von drei Stunden ein komplettes Dach abdecken und nach Restaurierung des Dachstuhls wieder neu eindecken könnte«, sagt Birgit Klein. Für die Dortmunderin und alle weiteren Vereinsmitglieder haben sich all ihre Mühen mehr als gelohnt: Im Januar 2024 feierten sie gemeinsam das Richtfest. »Das war und ist nicht nur für den Kotten, sondern für uns alle ein großer Meilenstein. Denn es zeigt vortrefflich, was wir mit viel bürgerschaftlichem Engagement alles erreicht haben», sagt Vereinsvorsitzender Marc Junge. Zudem können sich nun auch Besucherinnen und Besucher noch besser vorstellen, wie schön dieser Begegnungsort einmal werden wird. Aktuell gehen im Haus die Arbeiten an den Innenwänden, am Boden sowie mit dem Ausbau der Küche weiter. Zudem ist die Renaturierung des Baches Brunebecke gestartet, der sich künftig noch sanfter und im natürlichen Bett übers Gelände schlängeln wird.

Nachhaltigkeit im Fokus

Auch im Garten wird geackert. Nachdem der Boden von meterhohen Brombeeren sowie anderen wild gesäten Büschen und Sträuchern befreit wurde, wird hier seit zwei Jahren fleißig gepflanzt, gesät und geerntet. Das erste Saatgut von samenfesten Sorten wie der Roten Gartenmelde oder dem Mangold hat die Gartentruppe bereits gewonnen. Denn Nachhaltigkeit spielt auf dem Kotten eine wichtige Rolle: Nach und nach soll künftig für viele Gemüsesorten kein neues Saatgut mehr angeschafft werden. »Langfristig wollen wir unser Gemüse in der Kotten-Küche zu leckeren Produkten wie Chutneys oder Marmeladen verarbeiten und diese verkaufen, um damit auch Geld für den Kotten einzuwerben«, sagt Henriette Brink-Kloke. Sie bringt seit vielen Jahren nicht nur ihr gärtnerisches Wissen, sondern als ehemalige Stadtarchäologin Dortmunds auch ihre Expertise ein. Bei der Gartenarbeit bekommt der Verein jeden Mittwochnachmittag tatkräftige Unterstützung: Die Kinder der Garten-AG der Rüdinghauser Grundschule helfen bei der Ernte, basteln und forschen im ehemaligen Gänsestall oder kochen Marmelade. Bereits zum vierten Mal absolvieren Studierende der Uni Witten-Herdecke im Rahmen ihres fächerübergreifenden ›studium fundamentale‹ ihr Seminar ›Vom Hof zum Teller‹ am Kotten.

Verschiedene Förderungen

Die Liste der Unterstützer und Förderer ist lang – und muss in Zukunft noch länger werden. Denn: »Nur mit dem Support und den Spenden der Bürgerinnen und Bürger, zahlreicher örtlicher Firmen und der Stadt Witten sind wir so weit gekommen. Und ohne sie alle geht es auch in Zukunft nicht«, erklärt Marc Junge. Das Gros der Gelder kam bislang aus den Denkmalschutzprogrammen des Landes NRW und der Bundesregierung sowie der NRW-Stiftung. Für die Fertigstellung des Kottens sowie eines Anbaus, der als Begegnungsraum und für Veranstaltungen genutzt werden soll, fehlt dem Verein noch eine hohe fünfstellige Summe. »Daher würden wir uns sehr über Spenden freuen – kleine wie große«, betont Vorsitzender Marc Junge.

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