Stadtmagazin Witten: Soziales

»Yula, komm!«

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Assistenzhunde führen sicher und bereichernd durchs Leben

Wenn Amélie Funda ihren Assistenzhund ruft, hat es einen wichtigen Grund. Diesmal: die Schmerzlinderung. Die 29-Jährige leidet an dem Post-Vac-Syndrom, welches unter anderem schwere Schmerzschübe und Lähmungserscheinungen auslöst. Selbst alltägliche Dinge, gar essen oder auch sich Sorgen machen, können einen Schub auslösen. »Ohne meinen Mann Paul, ohne mein richtig gutes Familiennetz ginge alles nicht«, betont die Durchholzerin. »Ich bin auf Hilfe, auf Verständnis angewiesen.«

Yula hilft, den Alltag zu meistern

Und einen weiteren wesentlichen Teil trägt ihr zweijähriges ›Mäuschen‹ Yula bei: Die Hündin hat eine sehr intensive Ausbildung zum Assistenzhund erfahren, um Menschen mit chronischer Beeinträchtigung dauerhaft zu unterstützen. »Yula ist ›auf mich‹ trainiert«, erklärt Amélie Funda. Sie hilft ihr nicht nur dabei, ihren Alltag zu meistern, indem sie etwa die Ta­bletten-Dose holt, wenn Frauchen es gerade nicht kann. Sie erkennt auch, wenn eine neue Schmerzattacke droht, und zeigt das sofort an: »So kann ich rechtzeitig Medikamente nehmen oder mich aus einer Gefahrensituation bringen.« Auch Aufgaben, die Amélie Funda aufgrund ihres Rollstuhls nicht selbst schafft, wie bestimmte Schalter zu drücken, Dinge aufzuheben oder Türen zu schließen, werden von ihrer Assistenzhündin übernommen.

Wertvoller Körperkontakt

In Terminen oder anderen anstrengenden Situationen ist jedoch das sogenannte Kontaktliegen (oder auch Deep Pressure Therapy) eine der wichtigsten Unterstützungen. In Amélie Fundas Fall liegt Yula dabei auf ihrem Schoß, der Körperkontakt führt so zu Schmerzlinderung, einem sinkenden Blutdruck und Puls. »Somit kann ich einen Termin, der sonst nur sehr kurz möglich wäre, verlängern und muss nicht vorzeitig aus der Situation raus, aus Angst vor einem nächsten Schub«, erzählt Amélie Funda, die für mehr öffentliche Akzeptanz und Unterstützung kämpft. Denn: Ein Assistenzhund darf überall mit hin – in den Supermarkt, in Geschäfte, sogar in Krankenhäuser. Rein rechtlich ist ein Assistenzhund ein Hilfsmittel – wie ein Rollstuhl oder ein Blindenstock. Es gibt sechs verschiedene Arten von Assistenzhunden, die einem Menschen ein mobileres und unabhängigeres Leben ermöglichen (Seh- und Hörbehinderung, eingeschränkte Mobilität, psychische Erkrankungen wie PTBS, Anfallskrankheiten wie Epilepsie, und Diabetes/Allergien).

Witten: Assistenzhund-freundliche Stadt

Auch die Standortgemeinschaft Witten Mitte e. V. (STOG) bringt sich für die Akzeptanz von Assistenzhunden ein und hat das Thema gleich umgesetzt: Witten ist offiziell eine Assistenzhund-freundliche Stadt.

Daher sind Geschäftsinhaber*innen aufgerufen, sich entsprechend zu informieren. Mit einem Sticker an den Eingangstüren oder im Schaufenster macht man Kund*innen darauf aufmerksam, dass Assistenzhunde in ihren Räumlichkeiten willkommen sind. Die Sticker gibt es in der GenussGalerie Hafer.

»Wir wollen Aufklärung betreiben«, sagt Angelika Bilow-Hafer, Vorsitzende der Standortgemeinschaft. »Kein Team soll draußen bleiben. Denn überall da, wo Menschen in Straßenkleidung willkommen sind, dürfen Assistenzhunde auch mit. Schließlich bedeuten sie für Menschen mit Behinderung nicht nur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, sondern auch Sicherheit, Autonomie und Vertrauen.«

Tipp: Falls Sie noch Fragen über Assistenzhunde haben oder wie Sie die STOG Witten dabei unterstützen können, die Öffentlichkeit mehr für dieses Thema zu sensibilisieren, können Sie gerne eine E-Mail schreiben (info [at] stogwitten.de) oder die Mitglieder der STOG Witten persönlich kontaktieren. Eine gute Gelegenheit dafür gibt es auf dem nächsten After Work Event mit schöner Musik und großartigen kleinen Leckereien.

After Work Event
25. April · 17–21 Uhr · Berliner Platz

Wichtige Hinweise durch Hunde-Signale

Achtung: Hunde, die im Einsatz sind, sollten niemals von anderen Menschen angesprochen oder gestreichelt werden. Denn das Tier muss hochkonzentriert sein, um Frauchen oder Herrchen sicher zu führen. Manche Vierbeiner springen oder bellen, um einen drohenden Anfall anzuzeigen – dies hat nichts mit Ungehorsam zu tun, sondern ist für die Halter*innen ein wichtiger Hinweis. Auf welche Art ein Assistenzhund was anzeigt, ist höchst individuell. »Yula legt ihren Kopf auf mein Bein – dann weiß ich: Jetzt bin ich so langsam am Limit angekommen und sollte mich erholen. Überschreite ich diese Grenze, wird auch Yula unruhig, denn dann droht ein Schub,« berichtet Amélie Funda.

Teams unterstützen!

Dass das Thema ›Assistenzhund-Team‹ – so heißen Mensch und Tier zusammen – in der Bevölkerung nicht nur mehr wahrgenommen, sondern auch unterstützt wird; dafür setzt sich sie sich ein. Mit all ihrer Kraft. Auslöser war der Besuch einer Dortmunder Ausstellung. Der Sicherheitsdienst verwehrte dem Team den Zutritt. »Die Diskussion zwischen Hausrecht und der Assistenzhundeverordnung ging sehr an die Substanz«, erinnert sich die Wittenerin, die vor Ort nicht nur eine Ausnahme sein wollte. »Die Verantwortlichen haben sich nachher nicht nur entschuldigt, sondern – und das ist der schönste Ausgang – es gibt für alle nachfolgenden Teams keine Probleme mehr vor Ort, da nun sämtliche Mitarbeiter*innen informiert sind.« Und dafür engagiert sie sich – mit Hund und Herz! »Mir ist es wichtig, dass die Bevölkerung ein Verständnis dafür entwickelt und alle, wirklich alle Einrichtungen Bescheid wissen.« Denn es ist mühselig, jedes Mal aufs Neue zu diskutieren, alles zu erklären. »Jede Anstrengung führt zu Ressourcenverminderung. Was ist das dann für eine Teilhabe an der Gesellschaft?«, fragt sie sich und stellt sich jeder Diskussion. »Wir suchen uns die Beeinträchtigung nicht aus. Uns nimmt ja auch niemand den Rollstuhl oder das Hörgerät weg. Assistenzhunde haben geregelte Zutrittsrechte (§12e BGG) und sind keine Haustiere. Sie schaffen es, einige der Barrieren, denen wir Menschen mit Behinderung begegnen müssen, zu minimieren. Das ist für uns so lebenswichtig!«

Weitere Infos gibt es unter: pfotenpiloten.org

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