Stadtmagazin Witten: In der Stadt

Urbane Kunst aus der Dose

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Projekt der Stadt und des Kulturbüros fördert jugendliche Talente

Bei dem Wort Graffiti denken viele direkt an Schmierereien und Vandalismus. Doch dass sich dahinter eine Kunstform verbergen kann, wissen die meisten leider nicht. Immer neue Beispiele dafür lassen sich an einer langen Mauer an der Crengeldanzer Straße bestaunen. Wer mit dieser Kunst vertraut ist, kann sich an dieser Mauer austoben. Legal, geduldet und von der lokalen Szene angenommen.

Früher war der Pfad als ›schwarzer Weg‹ berüchtigt in Witten. Wer schnell von der Brück- oder Albrechtstraße zur Crengeldanzstraße oder Sprockhöveler Straße wollte, musste vor nicht allzu langer Zeit noch diesen engen, spärlich beleuchteten Weg nehmen, der zur einen Seite gesäumt war von einer verwitterten Mauer, auf der anderen Seite vom wildwuchernden Bahndamm. Das Unterholz war voller unrechtmäßig entsorgtem Müll. Doch diese Zeiten sind vorbei.

Dass der Müll weniger geworden ist und die Böschung gepflegter, ist ein Nebeneffekt dessen, dass hier die ›Hall of Fame‹, also die ›Ruhmeswand‹ des Projekts ›Urban Art Witten‹ entstanden ist. 2019 bereits wurde die Mauer gesäubert und grundiert. Und dann hieß es: Ran an die Dosen. Da wurde die 320 Meter lange Mauer mitsamt altem Pilkington-Werkstor und Fabrikaußenwand zur Freifläche für alle Sprayer erklärt. Zur Eröffnung gab es eine in der lokalen Szene vielbeachtete Aktion mit DJ und Gratis-Spraydosen. »Seither wird die ›Hall of Fame‹ sehr gut angenommen«, sagt Petra Linden vom Kulturbüro, Koordinatorin für Jugendkulturarbeit in der Abteilung Jugendförderung im Amt für Jugendhilfe und Schule der Stadt Witten. »Jede Woche dokumentiert ein Fotograf – beauftragt vom Kulturforum – die neuen ›pieces‹. Und jedes Mal wird er fündig.«

›Pieces‹, so nennen die Mitglieder der Sprayer-Szene, die eng verzahnt ist mit der Hiphop-Subkultur, ihre Werke. Dass es solche Fachbegriffe gibt, zeugt vom Selbstverständnis der Angehörigen der Kunstform, und auch davon, wie ausdifferenziert diese ist. ›Tags‹ sind Schriftzüge, oft die Signets der Sprayer. Diese tauchen häufig als die missliebigen Schmierereien auf. An der Crengeldanzer Freifläche aber werden sie zu richtigen Kunstwerken. Daneben sind auch viele ›characters‹ zu sehen. Das sind dann Figuren und Gesichter, die von fotorealistisch über comicmäßig bis hin zu skizzenhaft ganz unterschiedlich aussehen können: drollige Schweinchen, coole Figuren oder satirische Karikaturen. Dazu abstrakte Formen, surreale Landschaften oder naive Kompositionen – ein Spaziergang am ehemaligen ›schwarzen Weg‹ schlägt in Sachen Vielfalt so manches Museum. Wem der Weg zum Crengeldanz zu weit ist, der findet eine umfangreiche Galerie auch auf Instagram. Unter @urbanartwitten veröffentlicht Fotograf Fritz Fresh regelmäßig die Bilder von der Wand.

Wobei, Fritz Fresh ist eigentlich nicht Fotograf, sondern Rapper. »Uns war es wichtig, so nah wie möglich mit der Szene zusammenzuarbeiten«, sagt Petra Linden. »Wir wollten den Sprayern nichts aufdrängen, sondern etwas schaffen, das ihren Bedürfnissen entspricht.« Daher wurde auch diese besagte Mauer ausgesucht. Sie bietet ausreichend Platz in Breite und Höhe und erlaubt ungestörtes und sicheres Arbeiten. Die Unterführung bot zudem Platz für ein Eingangs-›Tor‹ – ein großes gelbes Graffiti als Aushängeschild für die Wand. Als Petra Linden mit der damaligen Kollegin des Kulturforums Juana Andrisano den Auftrag bekam, suchten sie daher aktiv den Kontakt zu Sprayern aus Witten und Umgebung. Danach standen Verhandlungen mit den Eigentümern der Mauer an, BMW Ernst und Pilkington. »Beide Unternehmen sind sehr kooperativ gewesen und unterstützen uns auch bei Events«, sagt Petra Linden.

Im nächsten Jahr soll es nach der Eröffnung und dem DJ-Picknick 2022 wieder ein Event an der Mauer geben. Dann werden junge Menschen an diese Kunstform herangeführt, und alte Hasen können zeigen, was sie draufhaben. Daneben möchte Petra Linden im Auftrag der Abteilung für Jugendförderung/Jugendkulturarbeit der Stadt Witten auch ›Urban Art Witten‹ zu einer Marke auszubauen, um die Künstler und ihre Arbeit noch präsenter zu machen. Dazu gehört auch, dass sie stets auf der Suche ist nach weiteren geeigneten Freiflächen, die Kreativität fördern, Farbe in die Stadt bringen und Gegenden aufwerten.

Weitere Infos gibt es auf www.urbanartwitten.com

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