Stadtmagazin Witten: Gesundheit und Wellness

FASD - Verzicht ist Gewinn

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»Seit wann trinkst du keinen Alkohol mehr?« … »Bist du etwa schwanger?« … »Komm, nur zum Anstoßen!« Wer auf Alkohol verzichtet, dürfte diese oder ähnliche Sprüche und den damit verbundenen sozialen Druck allzu gut kennen. Während einer Schwangerschaft Alkohol zu konsumieren, mit oder ohne Anlass, gefährdet allerdings extrem die Gesundheit des Kindes.

In den vergangenen drei Jahren hat Catrin Schmock-Ocken die FASD-Beratungsstelle des DRK konzeptioniert und aufgebaut. Hier werden Menschen jeden Alters betreut, aktuell mehrere im Alter von 13 bis 22 Jahren. Da ihre Mütter in der Schwangerschaft Alkohol konsumiert haben, sind sie vom Fetalen Alkohol Spektrum Syndrom (FASD) betroffen, leiden unter Wachstumsstörungen, haben auffällige Gesichtszüge, können oft nur schwer lernen, Risiken und Gefahren erkennen.

Schädigungen in jeder Schwangerschaftsphase

FASD ist eine anerkannte, aber vermeidbare Behinderung. »Alkohol ist ein Nervengift, und das zentrale Nervensystem des Menschen durchläuft in jeder Phase der Schwangerschaft Entwicklungsschritte«, erklärt die sympathische Diplom-Heilpädagogin. »In den frühen Schwangerschaftswochen kann Alkoholkonsum dazu führen, dass Embryos einfach ›abgehen‹; Fehlgeburten, die kaum von der normalen Periode unterscheidbar sind. Bereits nach wenigen Wochen, wenn der Embryo mit dem Blutkreislauf der Mutter verbunden ist, kann Alkohol die normalerweise schützende Plazentaschranke passieren, und es kommt zu Auswirkungen auf die Entwicklung bestimmter Merkmale des Kindes.« Die Entwicklung von Nervensystem, Organen und anderen Körperteilen kann so nicht auf natürliche Weise erfolgen. Schädigungen an Gehirn, Herz, Armen, Augen, Beinen, Zähnen, Gaumen, den Geschlechtsorganen und den Ohren sind bleibende Folgen. »Jedes Glas ist eines zu viel«, mahnt die Leiterin der Beratungsstelle, denn bereits gelegentlicher Konsum wirkt sich negativ aus.

Beratung und Hilfe

Ihre Arbeit umfasst vor allem Beratung und Unterstützung von Betroffenen und deren Pflegepersonen. Mal wird bei der Beantragung eines Pflegegrades, mal bei der Korrespondenz mit Versorgungsämtern und Kostenträgern geholfen. In einem Fall wurde das Busfahren und das Lesen des Fahrplanes geübt. Therapeutische Maßnahmen wie die TGI (Tiergestützte Intervention) helfen bei der Förderung physischer, sozialer, emotionaler und kognitiver Fähigkeiten und erhöhen die Freude und Lebensqualität der Betroffenen. Bei den Pflegepersonen handelt es sich meistens um Pflege- oder Adoptiveltern; sie werden von der Heilpädagogin miteinbezogen und bekommen Beratung sowie Hilfsmittel zur besseren Gestaltung des Alltags an die Hand. Für leibliche Eltern ist das Syndrom leider oftmals ein Tabuthema. »Und Alkoholkonsum ist kein Problem einer bestimmten sozialen Gruppierung.« Durchweg in allen sozialen Schichten kommt es zu Fällen von FASD, Symptome würden mitunter jedoch als Autismus-Form ›verbucht‹, da die Abgrenzung zum Autismus sehr schwierig, aber dennoch notwendig ist.

Prävention und Aufklärung

Damit es gar nicht erst zu neuen FASD-Fällen kommt, arbeitet Catrin Schmock-Ocken intensiv an Konzepten zur Prävention und Aufklärung, leistet Netzwerkarbeit im Kontakt mit gynäkologischen Praxen, Hebammen, Schulen, Kindergärten und anderen Jugendeinrichtungen. Und sie ist nachdenklich: »Eigentlich sollte es Beratungsstellen wie die unsere nicht geben müssen.«

Catrin Schmock-Ocken, FASD-Fachkraft

Tel. 0 23 02 / 9 10 16-3 21 · catrin.ocken [at] drk-witten.de · Ardeystr. 27 · 58452 Witten
Weitere Informationen unter: www.drk-witten.de/fasd  
Die FASD-Beratung wird momentan dank einer Förderung durch die ›Aktion Mensch‹ ermöglicht.

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