›Wandern und mehr‹
Zu Gast bei der Wittener Abteilung des Sauerländischen Gebirgsvereins
»Jetzt könnt ihr mal sehen, wie man das macht, wenn man ein bisschen älter wird …« Die Situation, in der Annemarie Korte schlagfertig diesen Satz sagte, war eigentlich ein bisschen heikel, aber letztlich für alle belustigend. Adressatinnen waren ein paar junge Mädchen. Sie standen auf der anderen Seite des umgestürzten und nun quer über dem Wanderweg liegenden Baumes und beobachteten die Truppe des ›Sauerländischen Gebirgsvereins Abteilung Witten‹, die das bei ihrer Sonntagswanderung aufgetauchte Hindernis äußerst mühselig, aber erfolgreich überwand. Eine lustige Anekdote – aber auch ein absoluter Ausnahmefall, denn in der Regel werden ja gerade derlei unliebsame Überraschungen vermieden, wenn sich die Wandergruppen unter erfahrener und gewissenhafter Führung auf den Weg machen.
Sauerland?
Wer in unserer Region nicht mit dem Wandersport groß geworden ist, weiß vielleicht gar nicht, dass der traditionsreiche SGV seit jeher auch vielerorts jenseits sauerländischer Berge verwurzelt und bekannt ist, u. a. im Ruhrgebiet. Hier spielt der Tourismus weniger eine Rolle, sodass auch der Fokus eher im Angebot für hiesige Naturfreunde liegt, die die heimische Umgebung auf diesem ›Weg‹ oft völlig neu entdecken und wahrnehmen. Annemarie Korte ist die erste Vorsitzende der ›Abteilung Witten e. V.‹, Martin Hintelmann der Pressesprecher. Im Gespräch mit den beiden erfahren wir viel über das Wandern im Allgemeinen und den Wittener Verein im Besonderen, der seinen Mitgliedern (und interessierten Gästen) einiges zu bieten hat – auch abseits der Wanderwege.
Wanderführer
Wie eingangs angeklungen: Wer wandert, muss wissen, wo es langgeht – und ob die geplante Streckenführung überhaupt (noch) passierbar ist. Auch die abschließende Einkehr (und manchmal auch eine vorherige Anreise mit dem ÖPNV) wollen organisiert sein: »›Wir machen mal eben‹ geht nicht«, bringt es Annemarie Korte auf den Punkt. Daher ist bei jeder Wanderung eine Wanderführerin oder ein Wanderführer im Einsatz und in der Verantwortung. Martin Hintelmann ist einer von ihnen und kann bei der Navigation auch auf Erfahrung setzen: »Wenn man seit 20 Jahren in Witten und Umgebung rumläuft, kennt man hier jeden Stein.« Trotzdem kann es ratsam sein (s. o.), die geplante Strecke ›vorzuwandern‹, was oftmals auch bei bekannten Routen geschieht, gerade nach Unwettern. »Zudem«, so Martin Hintelmann, »will man ja auch mal was anderes sehen«, sodass auch Ausflüge etwa nach Hagen, Gevelsberg, Ennepetal und Schwerte vorbereitet und angeboten werden. Da der Gesamtverein vielerorts Abteilungen hat, kann man sich hier gut austauschen, und auch die Mitglieder selbst können an Wanderungen anderorts teilnehmen: »Die meisten Abteilungen haben gut geführte Webseiten, auf denen man sich über die Angebote informieren kann«, weiß Annemarie Korte.
Aktive Mitglieder – und Dienst an der Allgemeinheit
Gut 100 Mitglieder hat der SGV Abteilung Witten und das relativ konstant, was nicht selbstverständlich ist in Zeiten, in denen ein ›Vereinsleben‹ vielen (jungen) Menschen nicht mehr zusagt und durch Smartphone-Apps für die Planung eines Fußmarsches nicht mehr notwendigerweise ein Wanderführer benötigt wird. So liegt der Altersdurchschnitt der Vereinsmitglieder bei Anfang 70. »Die meisten kommen erst nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben zu uns«, sagt Annemarie Korte und fügt augenzwinkernd hinzu: »Das sind dann die mit der Sechs vorne, die unseren Schnitt kaputtmachen.« Doch im Gegensatz zu anderen Abteilungen, bei denen der eigentliche Vereinszweck mitunter buchstäblich auf der Strecke bleibt, sind hier noch relativ viele aktiv: »10 bis 15 Teilnehmer sind bei unseren Wanderungen meist dabei«, berichtet Martin Hintelmann. »Auch gibt es hier nach wie vor ein Team von guten Leuten, das die Aufgabe des Wegezeichnens bewältigt, für das ganze Wittener Gebiet, also etwa 240 Kilometer Wegstrecke.« Traditionell ist auch das nämlich eine Tätigkeit der in Vereinen wandernden Naturfreunde: Wanderwege werden, etwa durch Zeichen an Bäumen, gekennzeichnet bzw. diese Zeichen erneuert, der Bestand wird fest- und auf dem neuesten Stand gehalten. »Wenn z. B. Wege lange nicht benutzt werden, holt sich die Natur sie sozusagen zurück«, beschreibt der erfahrene Wanderführer. In Witten gibt es eine Kooperation mit dem Stadtmarketing, in dessen Broschüre ›Raus in die Botanik‹ die einzelnen Wege bezeichnet und beschrieben sind. So profitiert auch die Allgemeinheit von der Vereinsarbeit.
Stammtisch, Singekreis und Jahresausflug
Leider existiert seit zwei Jahren kein Vereinsheim mehr, nachdem das Steigerhaus im Muttental einem Brand zum Opfer gefallen war. Demnächst werden die traurigen Reste des Gebäudes abgerissen. Dennoch bemüht sich der Verein erfolgreich auch um Aktivitäten außerhalb der Wanderwege, allein schon, um auch den Mitgliedern weiter Geselligkeit und Vereinsleben zu ermöglichen, die nicht mehr an Wanderungen teilnehmen (können): »Einmal im Monat gibt es in einer Gaststätte nachmittags einen Stammtisch bei Kaffee und Kuchen«, berichtet Martin Hintelmann. »Und für unseren monatlichen Singekreis haben wir eine neue Heimat in der Cafeteria der Zeche Theresia in Bommern gefunden, wo wir je nach Wetterlage draußen oder drinnen sitzen«, ergänzt die Vereinsvorsitzende. ›Klassische‹ Volkslieder gehören dann ebenso zum Repertoire wie bekannte Werke von Liedermachern. »Wanderfreunde und Gäste, gern auch mit Musikinstrumenten, sind herzlich willkommen.«
Beste Stimmung auf der Ruhr
Gesungen wurde auch beim jährlichen Tagesausflug des Vereins im Mai, und hier schmetterten die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus gegebenem Anlass auch Seemannslieder: An Bord der zum wiederholten Mal gecharterten MS Schwalbe herrschte beste Stimmung auf der Ruhr und dem Kemnader See. Natürlich wurde bei Kaffee und Kuchen auch reichlich geklönt. Doch gerade die Musik nebst Gitarren- und Akkordeonbegleitung sorgte nicht nur bei den Teilnehmenden für gute Stimmung: »Als wir durch die Schleuse fuhren, haben die Leute am Ufer gestanden und uns zugewinkt«, erzählt Annemarie Korte.
Mitmachen!
Die Mitgliedschaft beim SGV Abteilung Witten ist übrigens »keine finanzielle Belastung«, wie der Pressesprecher formuliert: Gerade mal 30 Euro kostet sie – im Jahr, wohlgemerkt. »Und alles, was man zum Wandern braucht, ist geeignetes Schuhwerk.« Auch Annemarie Korte empfiehlt von Herzen, einfach mal mitzumachen – um dann vielleicht auf den Geschmack zu kommen: »Wandern ist gesund und macht einfach richtig Spaß, bei Regen und Sonnenschein!«
Christian Hirdes
Die Wanderungen der Wittener Abteilung finden an jedem Sonntagvormittag sowie mittwochmittags statt. »Sonntags sind die Strecken meist um die 10 Kilometer lang, mittwochs geht es dann moderater zu«, berichtet Martin Hintelmann. Dabei wird einmal im Monat bei der ›Seniorenwanderung‹ speziell darauf geachtet, dass die Route auch für Menschen mit Rollatoren geeignet ist.
Konkret werden die Wanderungen der zweiten Jahreshälfte in den ›Wittener SGV-Blättern‹ bekanntgegeben, die Anfang Juli erscheinen. Neben der gedruckten Form ist das Vereinsheft dann auch als pdf auf der sehr besuchenswerten Homepage zu finden.
https://sgv-witten.de/
Zudem sind die jeweils anstehenden Wanderungen auch der Tagespresse zu entnehmen.