Vom »Ritt auf der Kanonenkugel«
Anekdoten aus zwei Jahrzehnten Motorsport
Holger Peters erinnert sich noch gut an diesen einen Tag in Kroatien, als er sein Motorrad trotz aufziehender Unwetterwolken weiter Richtung Slowenien lenkte, Ehefrau Judith hinten drauf. »Plötzlich waren wir oben auf dem Berg, und es wurde eiskalt«, erzählt er. »Statt sommerlicher Temperaturen hatten wir nur noch 3,5 Grad Celsius. Über Schotterwege, die auf den Karten nicht eingezeichnet waren, ging es mitten durch die Wolken, bei Nebel, Sturzregen und Gewitter. Wir haben uns völlig verfranst und waren stundenlang unterwegs, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Was auf einigen seltsamen Schildern stand, konnten wir nicht übersetzen. Zum Glück, denn es hätte nicht zu unserer Beruhigung beigetragen …«
BMX-Rad in zwei Tagen zu Schrott gefahren
Die Faszination für abenteuerliche Expeditionen auf zwei Rädern begleitet Holger Peters seit seiner Jugend. Als kleiner Junge liebte er es, seinem Vater bei der Arbeit an motorisierten Fahrzeugen über die Schulter zu schauen. Wilfried Peters war unabhängiger Kfz-Sachverständiger – wie schon sein Vater vor ihm. Benzingeruch und Motorengeknatter, Fachsimpeln mit Kunden, Familienausflüge zum Nürburgring … – all dies gehörte für Holger und seinen Bruder von klein auf zum Rahmenprogramm. »Als Kids haben wir erst mal die hiesigen BMX-Strecken ausgetestet – mit dem Effekt, dass ich mein Rad innerhalb von zwei Tagen zu Schrott gefahren habe. Später waren wir dann mit dem Mofa im Wald unterwegs – da hat in den Neunzigern kein Hahn nach gekräht.« Sobald wie möglich folgte der Motorradführerschein. »Meine erste Maschine war eine sportliche Enduro, eine Yamaha TT 600, für die ich einen zusätzlichen Geländeradsatz für Endurofahrten hatte. Da ich bereits beim MSC Herbede im Trialsport aktiv war, kam dann schnell noch meine erste echte Motocrossmaschine dazu, eine Honda CR 250.«
Trial: steil und kurvig
Als unwissende Laien müssen wir vom Stadtmagazin hier kurz einhaken: Enduro? Trial? Motocross? Was hat es damit auf sich? Wir erfahren, dass es beim Motorrad-Trial vor allem um Geschicklichkeit geht: Die Fahrer manövrieren ihre Maschinen mit nahezu akrobatischem Können durch unwegsames Gelände, über Stock und Stein. Dabei durchqueren sie Gräben, meistern steile Abfahrten und enge Kurven oder überbrücken Hindernisse wie Wurzeln und Felsformationen. Das ist heutzutage natürlich nicht überall erlaubt und auch nur unter strengen Auflagen – beispielsweise darf der Boden nicht durch Benzin oder Öl verunreinigt werden. In Witten trainieren die Motorsportler des MSC Herbede in einem speziell ausgewiesenen Bereich im Ortsteil Kämpen nahe dem Kamperbach und seit einiger Zeit auch im Steinbruch Rauen am Kohlensiepen.
Motocross: Sprünge von dreißig Metern
Dagegen geht es beim Motocross sogar noch etwas heftiger zur Sache. Mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern brettern die Fahrer in voller Schutzmontur den Hügel hinauf – um sich von der Kuppe wie Skispringer ins Tal zu stürzen. »Das ist wie der Ritt auf der Kanonenkugel«, berichtet Holger Peters, der sich im Laufe der Jahre nach eigenen Angaben schon den einen oder anderen Knochenbruch zugezogen hat. »So eine Crossmaschine hat um die 60 PS und wiegt knapp über 100 Kilogramm. Um das in der Luft zu beherrschen, benötigt man eine wahnsinnige Körperspannung und auch Erfahrung. Bei weiten Sprüngen von 20, 30 Metern kostet es Überwindung, das Gas offen zu lassen. Dafür habe ich Jahre gebraucht.«
Enduro: die Königsdisziplin
Enduro ist quasi ein Mix aus Trial und Motocross und wird daher oft auch als Königsdisziplin bezeichnet. »Hier gibt es Highspeed-Passagen und Sprünge wie beim Motocross, aber auch sehr technische Passagen sowie steile Auf- und Abfahrten wie beim Trial. Die körperliche Anstrengung ist enorm, insbesondere auf sandigen Strecken oder in schlammigen Flussbetten, wenn sich die Karre tief in den Untergrund wühlt und man die meiste Zeit im Stehen fahren muss, um mehr Kontrolle zu haben. Schutzkleidung ist in allen drei Disziplinen superwichtig, wie immer beim Motorradfahren.«
Motorradrennen im Auenland
Spezielle Crossstrecken befinden sich zum Beispiel in Münster oder Gevenbroich. Sie werden bei Wettbewerben auch für Enduro genutzt. Hier haben Holger Peters und seine Kumpel über zwei Jahrzehnte hinweg ordentlich Staub aufgewirbelt. »Früher bin ich zwei- bis dreimal pro Woche gefahren. Im Urlaub ging es dann mit den Jungs nach Belgien, Frankreich, Spanien oder Ungarn, wo es Riesenrennstrecken inmitten von urtümlichen Auenlandschaften gibt. Klar ist es kein ganz ungefährliches Hobby. Aber die Hemmschwelle ist geringer, wenn man jung ist, das Rennen gewinnen will und keine berufliche Selbstständigkeit von der eigenen Gesundheit abhängt.« Heute, mit 43 und einer eigenen Firma – 2010 übernahm er das Kfz-Sachverständigenbüro seines Vaters und Großvaters –, sieht die Sache etwas anders aus. »Irgendwann machen die Knie und der Rücken nicht mehr mit. Motocross betreibe ich daher nur noch ab und an zum Spaß.«
Unterwegs mit Sack und Pack
Stattdessen juckelt er an den Wochenenden lieber ganz gemütlich durch die Eifel oder durchs Sauerland. In den Ferien geht es mit Sack und Pack quer über die Alpen oder die Pyrenäen, durch die Provence, entlang der Côte d’Azur oder durch Kroatien. »Mit dem Motorrad findet man Ecken, die man sonst nie erreichen würde. Einfach losfahren, immer der Nase nach, die wunderschöne Landschaft an sich vorbeiziehen lassen. Gucken, wo man ankommt. Einchecken oder das Zelt aufbauen. Den Abend ausklingen lassen. Und am nächsten Tag geht’s weiter.« Abseits der offiziellen Cross-, Enduro- und Trialrouten ist rücksichtsvolles Fahren für den bekennenden Adrenalin-Junkie selbstverständlich: »Wenn einem beispielsweise Reiter oder Rehe entgegenkommen, hält man an – das ist doch klar. Die Natur ist für alle da.«
»Das ist Abenteuer!«
Oft mit dabei: seine Frau Judith, die ihn früher als Sozia begleitet hat und seit drei Jahren selbst Motorrad fährt. »Als sie ihren Führerschein hatte, sind wir mit unseren Reiseenduros direkt nach Österreich, ein paar Pässe jagen.« Wobei der Adrenalinfaktor auch bei solchen Touren nicht zu kurz kommt: »Häufig startet man morgens bei strahlendem Sonnenschein – um oben festzustellen, dass die Wege wegen Schnee und Eis gesperrt sind. Oder man wird von Unwettern überrascht. Ich habe Respekt, dass sie das alles mitmacht.« Und dann noch die Geschichte von der eingangs erwähnten Irrfahrt durch Kroatien … Was stand denn nun auf den geheimnisvollen Schildern? »Später haben wir es herausgefunden«, verrät Holger Peters. »Wir sind wohl an Bärenfutterstellen vorbeigekommen. Zum Glück haben wir aber nur Rehe, Hirsche und Steinböcke gesehen.« Er lächelt. »Das ist Abenteuer!«
Und die nächsten Expeditionen sind schon geplant: Aktuell stehen Schweden und Norwegen auf dem Zettel. Darüber hinaus träumt Holger Peters von einer Tour durch die urwüchsigen Landschaften der Mongolei. Vielleicht wird er uns dann wieder davon berichten …
diese Seite auf Facebook teilen0