Stadtmagazin Witten: In der Stadt

Steinbrüche in Witten

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Ein Beitrag von Davide Bentivoglio

Es ist gar nicht so lange her, da war Witten ein kleines, verschlafenes Bauerndörfchen, bestehend aus wenigen Bauerhöfen und Kotten, die sich um die Johanniskirche gruppierten. Um 1735 zählte der Weiler gerade mal um die 550 Einwohner. Zum Vergleich: In Durchholz – dem kleinsten ›Vorort eines Vorortes‹ – leben heute rund dreimal so viele Menschen.

Vom Bauerndorf zur Industriestadt

Aber in dem Dörfchen regte sich einiges: Kohle wurde hier schon seit Jahrhunderten gewonnen und genutzt, die war nämlich an vielen Stellen direkt an der Oberfläche zu finden. Doch allmählich ging die Förderung über die Ausmaße einer Selbstversorgung hinaus. Nach und nach entstanden eisenverarbeitende Werkstätten und Fabriken, Hammerwerke und schließlich Bahnlinien – es hatte das begonnen, was wir heute ›Industrialisierung‹ nennen. Die Folge war ein rasanter Anstieg der Bevölkerungszahl. Nach rund 60 Jahren hatte sie sich mehr als verdreifacht, und knapp 100 Jahre später, im Jahre 1832, waren es bereits 2.210 Einwohner und 1864 sogar 10.536. Das schnell expandierende Witten schluckte nach und nach die kleinen Gemeinden ringsum, die nun zu Vororten wurden, und im Jahre 1929 konnten – oder mussten – sich bereits 73.288 Menschen Wittener nennen. Diese genauen Zahlenangaben haben wir dem damaligen Lehrer und Heimatforscher Andreas Blesken zu verdanken, der sie seinerseits dem städtischen Archiv zu verdanken hatte. Andreas Blesken hatte damals in den ersten Nachkriegsjahren, als es kaum Lehrmittel in den Schulen gab, das ›Wittener Heimatbuch‹ verfasst und herausgegeben, sodass man in den Schulen damit arbeiten konnte.

Ruhrsandstein: begehrtes Baumaterial

Eine der vielen Konsequenzen der industriellen Entwicklung war ein enorm angestiegener Bedarf an Wohnraum und damit eine entsprechend rege Bautätigkeit. Dies wiederum verursachte eine gewaltige Nachfrage an Baumaterial. In erster Linie wurden Ruhrsandstein und Ziegelsteine benötigt, und angesichts der Bedingungen der damaligen Verkehrs- und Transportwege mussten diese möglichst ortsnah zur Verfügung stehen. Die Folge davon war, dass in kürzester Zeit im ganzen Gebiet Ziegeleien wie Pilze aus dem Boden schossen, vor allem aber auch Steinbrüche. Durch die geographische Lage Wittens an den Ausläufern des Ardeygebirges war der hier anstehende, oberflächennahe Ruhrsandstein leicht zugänglich. Seine breite Farbpalette von blauen, gelblichen bis hin zu bräunlichen Tönen, aber auch seine Eigenschaften als widerstandsfähiger, harter und kompakter Baustoff machten ihn zu einem äußerst begehrten Material. Auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert gab es in Witten eine ganze Reihe von Steinbruchbetrieben unterschiedlicher Größe. Viele wurden angelegt zum Bau eines einzigen Gebäudes und gleich danach wieder aufgegeben, andere haben jahrzehntelang bestanden, und einige wenige davon sind heute noch als ehemaliger Steinbruch zu erkennen.

Die fünf Wittener Steinbrüche

Als ich 1963 nach Witten kam, waren vier Steinbrüche im Betrieb, ein fünfter kam 1965 sogar noch dazu. An der Wetterstraße lag der Steinbruch Wartenberg/Rauen, der bis 1990 bestanden hat. Ein weiterer war der Steinbruch Himmelmann, zwischen den Straßen In der Mark und Eckardtstraße, bis er 1965 aufgegeben wurde. Danach diente die verbliebene Kuhle einige Jahre lang als Müllkippe. Später wurde darauf der bis heute existierende Abenteuerspielplatz angelegt. An der Herbeder Straße, kurz vor der ehemaligen Kläranlage, befand sich der Steinbruch Lütge-Hetmann, der wegen seiner Lage am Ruhrufer auch ›Loreley‹ genannt wurde. Am gegenüberliegenden Ruhrufer lag die Zeche Nachtigall: Sie war nicht nur eine der ältesten – bereits 1645 erwähnt –, sondern auch eine der größten Tiefbauzechen der Region. 1892 stillgelegt, wurde sie vom Unternehmer Wilhelm Dünkelberg gekauft und zu einer Ziegelei ausgebaut, die dann bis 1964 Ziegelsteine produzierte. Hinter der Ziegelei war ein Steinbruch, in dem der Steinmetz Werner Brotkowski von etwa 1965 bis 1975 Sandstein gewonnen und verarbeitet hat. Und schließlich gab es noch den Steinbruch Imberg in Annen, Am Hang: Er ist heute als Kinderspielplatz, Abenteuergelände, Klettergelände, Jugendtreff und Konzertplatz bei Jung und Alt bestens bekannt.

Quellen: ›Annen – vom Bauerndorf zum Industriestandort‹ (Geschichtsverein e. V.) / ›Wittener Heimatbuch‹ A. H. Blesken

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