Stadtmagazin Witten: In der Stadt

Bäume erzählen Geschichten

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Frühsommer, Sonnenschein, blauer Himmel, zarte Wolken – ab nach draußen! Allerdings müssen wir nach wie vor Distanz bewahren und das zu enge Beieinander mit zu vielen Freunden und Bekannten vermeiden. Ganz anders das Ehepaar Rosemarie Schwarz und Werner Jacob: Jeden Tag treffen sie sich im Garten mit Verwandten, Nachbarn und Kameraden: mit Jacob, Emil, Wilhelm, Walter und Jupp, mit Gina und Lilianne, klatschen ihnen fröhlich auf den Rücken, streicheln sie zärtlich, setzen sich zu ihnen und schwelgen mit ihnen in gemeinsamen Erinnerungen. Das ist jetzt nicht euer Ernst? »Doch, das ist es«, schmunzelt das Bommeraner Ehepaar, »mit denen dürfen wir das, schließlich handelt es sich um ganz spezielle Kumpane. Es sind Bäume.«

»Jeder hat seinen eigenen Namen«

Insgesamt neun Gewächse hat Rosemarie Schwarz mit ihrem Ehemann Werner Jacob in den letzten Jahren auf der großen, ans Haus angrenzenden Wiese angepflanzt. »Früher grasten hier Rosemaries Pferde, doch auch, wenn es diese nicht mehr gibt, ist das Terrain für uns nach wie vor ungemein lebendig, und das liegt halt an unseren Bäumen: Jeder hat seine ganz eigene Geschichte und seinen Namen«, erzählt sie. So wurde beispielsweise Blutbuche ›Wilhelm Dünkelberg‹ nach dem Eigentümer des Schlosses Steinhausen benannt. »Er war der Urgroßvater von Rosemarie und hatte vor gut 100 Jahren hinter dem Schloss eine Blutbuche gepflanzt, die im Laufe der Jahrzehnte zu einem mächtigen Baum gediehen war, der zuletzt unter Baumschutz stand. Dennoch fiel er leider irgendwann der Axt zum Opfer; die Erinnerung daran soll dieser Baum hier bewahren«, berichtet Werner Jacob.

›Verwurzelt‹ mit Nachbarn und guten Freunden

Auch die ein oder andere Anekdote verbirgt sich hinter Rinde und Blättern, wie beim Walnussbaum ›Frau Nuss‹, erzählt er uns: »Gepflanzt wurde dieser eigentlich, weil wir einen solchen gerne haben wollten. Zum selben Zeitpunkt gab es massive Probleme mit Telefon und PC, an deren Lösung mehrere Telekom-Mitarbeiter mit abenteuerlichen Erläuterungen scheiterten. Endlich fand eine Mitarbeiterin – Frau Nuß – eine einfache Erklärung und Lösung, und uns war sofort klar: Der Baum konnte gar nicht anders heißen.« Aber auch nahestehende Personen sind mit den Bäumen ›verwurzelt‹, wie Apfelbaum ›Emil‹, der zur Geburt des gleichnamigen Enkels einer guten Freundin gepflanzt wurde, ebenso wie Kastanie ›Gina‹. Rosemarie Schwarz: »Es handelt sich um die Tochter unserer eng befreundeten Nachbarn. Anlässlich ihrer Geburt pflanzten sie eine rotblühende Kastanie; auch dieser erinnerungsträchtige Baum wurde ebenso wie ›Wilhelm Dünkelberg‹ leider irgendwann gefällt. Bei uns wächst ›Gina‹ nun als wunderbarer Ersatz.«

›Jacob von Metz‹

Dieses Gedicht über 142 Jahre Familiengeschichte schrieb Werner Jacob 2013. Es wurde bei der Pflanz-Zeremonie des Pfirsichbaums ›Jacob von Metz‹ vorgetragen, welcher nach seinem Urgroßvater benannt ist.

Vor hundertzweiundvierzig Jahren,
als die Deutschen Sieger waren,
zog Josef Jacob allsogleich
in das besiegte Land, Frankreich,
in die Stadt Metz; er pflanzte dann
dort selbst ein Pfirsichbäumchen an.

Sohn Otto aber musste fliehen,
als dieses längst zum Baum gediehen;
denn im Jahr neunzehnhundertacht-
zehn ging verloren dann die Schlacht.

Indessen, ein paar Pfirsichkerne
nahm Otto mit sich in die Ferne –
nach Münster, wo – man glaubt es kaum –
bald wuchs ein neuer Pfirsichbaum,
und – ebenso – Gerhard, sein Sohn,
der später dann – man ahnt es schon –
als er nach Bommern ist gekommen,
hat Pfirsichkerne mitgenommen.

Die Pfirsiche, die groß und prächtig,
imponierten Walter mächtig,
dem Schonefeld, der – blitzgescheit –
nahm Kerne mit nach Wattenscheid.

Kürzlich kam – welch großes Glück –
ein Baum aus Wattenscheid zurück
zu dem Urenkel, Werner Ja-
cob nach Steinhausen 30 a.

Darum feiern heute diese
Rückkehr Walter und Marliese
mit Werner und Rosemarie
in einer Pflanzzeremonie:

Wir entfernen jetzt dies Netz
und taufen Dich ›Jacob von Metz‹
setzen Dich hier in die Erde,
auf dass ein großer Baum draus werde!

›Jacob von Metz‹ dein Name sei,
blühe, trag Früchte und gedeih!

Wahre Genussmomente

Zwei Bäume – ›Lilianne‹ und ›Jupp‹ – verdanken übrigens nicht nur ihren Namen vertrauten Menschen, auch die Baumart als solche steht mit ihnen in engem Zusammenhang. »Die kleine Tochter unserer Nachbarn ist nach dem keltischen Horoskop, das sich nicht nach den Sternen richtet, sondern sich an Bäumen orientiert, ein Feigenbaum. Für sie wächst und gedeiht daher Feigenbaum ›Lilianne‹ auf unserer Wiese. Und Jupps ›Baumzeichen‹ – er ist der Sohn einer ehemaligen Mitarbeiterin und heutigen Freundin der Familie – ist die Linde.« Ein Name darf natürlich auf keinen Fall fehlen: Rosemarie! »Für meine Frau sind mit dieser Wiese so viele Erinnerungen verbunden; was lag also näher, als auch für sie hier einen Baum zu pflanzen«, betont Werner Jacob. »Da uns beiden ein Quittenbaum noch in der Sammlung fehlte, ist dieser nun eine würdige Ergänzung.« Apropos Würde, jede Baumpflanzung wurde von beiden mit einer kleinen liebevollen Zeremonie gestaltet, für einige hat der langjährige Herausgeber des ›Bommeraner‹ und ›Herbeder‹ auch ein paar Verse gereimt. Als Dank erblühen die Pflanzen Jahr für Jahr und schenken ihren Besitzern Freude und Genussmomente – im wahrsten Sinne des Wortes. Werner Jacob: »Alle neun Bäume fühlen sich super-wohl an ihrem Standort, wachsen und gedeihen, und die Obstbäume unter ihnen tragen wundervolle Früchte.«

Kaum geboren – schwuppdiwupp:
Schon zwei Jahre ist der Jupp!

Für sein Schicksal soll die Linde gelten
Im Baumhoroskop der Kelten:
Der Linde-Mensch braucht jederzeit
viel Liebe und Aufmerksamkeit.

Er selbst ist feinfühlig und lieb,
gesellig und ein smarter Typ.
Die Liebe gibt er voll zurück,
und gern träumt er vom großen Glück.

Darum pflanzen wir geschwinde
für ihn heute diese Linde;
als Freundschaftszeichen findet diese
ihren Platz hier auf der Wiese.

Hier soll sie wachsen und gedeih’n,
für unseren Jupp ein Fixpunkt sein!

 

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