Der Schwarze Tod
Ein finsteres Kapitel der europäischen Geschichte
Leichenkutschen rollen im Minutentakt über das Pflaster, der Wind weht Schmerzensschreie durch die Gassen, Familien fliehen in Panik aus den Städten: Was nach einer Szene aus einem düsteren Historienfilm klingt, erwies sich für unsere Vorfahren als grausame Wirklichkeit. Zwischen 1346 und 1353 walzte die Pest wie das jüngste Gericht über Europa hinweg. In nur wenigen Jahren fielen geschätzt 20 bis 25 Millionen Menschen dem ›Schwarzen Tod‹ zum Opfer – rund ein Drittel der damaligen Bevölkerung. Woher stammte die Seuche, wie konnte sie sich so rasant ausbreiten, und inwiefern stellt sie bis heute eine Gefahr für uns dar? Ein medizinhistorischer Rückblick auf eines der finstersten Kapitel der Geschichtsschreibung.
Ursachenforschung: faule Winde, Planetenkraft, verseuchtes Wasser?
Alles begann mit ein paar Segelschiffen, die 1347 in Konstantinopel und Messina anlegten. Neben Handelsgütern aus Asien hatten sie auch einige ›blinde Passagiere‹ an Bord: Ratten. Heute weiß man, dass die kleinen Nager den Erreger einschleppten, welcher dann von Flöhen auf den Menschen übertragen wurde. Für die Gelehrten des Mittelalters hingegen war eine solche Ansteckung von Tier zu Mensch völlig undenkbar. Als die ersten Personen an den tödlichen schwarzen Beulen dahinsiechten, griffen wilde Spekulationen um sich: Wahlweise sollten faule Winde, giftige Erddämpfe, ungünstige Planetenkonstellationen, verseuchtes Wasser oder die Schönheit junger Mädchen für die unheimliche neuartige Krankheit verantwortlich sein.
Behandlungsmethoden: von Kräuterduft bis Aderlass
Ebenso ›wild‹ waren die ersten Versuche, die Pest (vom lateinischen Wort ›pestis‹ für Seuche) einzudämmen: Man verbrannte aromatische Kräuter, versprühte Rosenwasser. Des Weiteren wurde die Bevölkerung angewiesen, Fenster nur nach Norden zu öffnen und sowohl Mittagsschlaf als auch harte körperliche Arbeit zu vermeiden. Infizierte Personen behandelte man per Aderlass, oder man verabreichte ihnen Brechmittel. Hauben mit brillenartigen Linsen und Schnabelnasen sollten dazu dienen, die Luft zu filtern und die Blicke der Patienten abzuwehren. Als dies alles nichts nützte, brach Panik aus. Juden wurden als Brunnenvergifter beschuldigt und gejagt, die Pestkranken vor die Stadtmauern verbannt. Selbst ihre eigenen Familien wandten sich aus Angst von ihnen ab.
Landstriche wurden entvölkert
Allen diesen verzweifelten Maßnahmen zum Trotz entvölkerte die ›Pestilenz‹ in Europa ganze Landstriche. Allein im Gebiet des heutigen Deutschlands soll geschätzt jeder zehnte Einwohner sein Leben verloren haben. Treffen konnte es jeden: Handwerker und Bauern wurden ebenso dahingerafft wie Ratsherren und hohe Geistliche. Erst 1353 klang die größte Pandemie des Mittelalters wie durch ein Wunder langsam ab.
Der Begriff ›Schwarzer Tod‹ wurde übrigens erst nachträglich von Chronisten eingeführt – wobei nicht geklärt ist, ob er sich auf die typischen schwarzen Beulen bezieht, oder ob damit nicht vielmehr das furchtbare Ausmaß der Katastrophe ausdrückt werden soll.
Bis heute eine dunkle Bedrohung
1894 entdeckte der Schweizer Arzt Alexandre Émile Jean Yersin den Erreger ›Yersinia pestis‹ und entwickelte den ersten Impfstoff. Die bakterielle Infektionskrankheit war damit aber keineswegs ausgerottet. Bis heute erkranken Menschen an verschiedenen Pestarten, sowohl in Entwicklungsländern wie Madagaskar als auch in den USA. Die berüchtigte Beulenpest beginnt mit grippeähnlichen Symptomen: Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit und Schwindel, später entzündete Lymphknoten. Sollten Sie diese Symptome bei sich bemerken, verfallen Sie nicht in Panik: Mit Antibiotika ist die Pest bei rechtzeitiger Behandlung effektiv zu bekämpfen. Dennoch wird das Bakterium von Experten nach wie vor als Bedrohung eingestuft: In der Hand von Terroristen könnte es weltweit Schaden anrichten. Die beruhigende Nachricht: Zum Herstellen einer effektiven Biowaffe sind fortgeschrittenes Wissen und Technik nötig.
Pest in Witten, Wengern und Bommern
Wie viele Opfer der Schwarze Tod in Witten forderte, wurde nicht überliefert. Fest steht aber, dass es ab 1350 und bis ins 17. Jahrhundert hinein immer wieder Epidemien in der näheren Umgebung (Bochum, Dortmund, Hattingen) gegeben hat. Für das Jahr 1636 ist der Ausbruch der Krankheit in Wengern bezeugt. Es heißt, die Gemeindemitglieder aus Bommern hätten nicht mehr den Gang in die Wengerner Kirche gewagt, weshalb der greise Pastor Johannes Fabricius ihnen auf halbem Weg entgegen marschierte und die Messe im Tal der Deipenbecke unter freiem Himmel abhielt. Durch den Bach getrennt wohnten auf gegenüberliegenden Hängen die Bommeraner und die Wengeraner den ›Pestgottesdiensten‹ bei. 1843 würdigte die Gemeinde den Einsatz ihres früheren Pfarrers mit einem Gedenkstein. Seit 1914 trägt eine Straße in Bommern den Namen ›Fabriciusstraße‹.
