Stadtmagazin Lünen: Menschen

Von Poplern und Pinklern

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Geschichten aus dem Straßendschungel

Der an Selbstüberschätzung leidende Verkehrsrowdy. Die schüchterne Blondine, die sich kaum traut, das Gaspedal zu betätigen. Der Gothic-Junge, der Staatsanwalt werden will. Die ältere Dame, die nach dem Tod ihres Mannes endlich ihren Führerschein machen möchte: Die Geschichten von Jürgen Scheller sind so bunt wie die Menschen, denen er in seinem Alltag begegnet. Seit 1978 ist der Lüner als Fahrlehrer im Straßendschungel unterwegs. »2003 habe ich damit angefangen, meine Erlebnisse aufzuschreiben, und es kommen immer mehr dazu, so dass ich inzwischen Stoff für drei Bücher habe.«

»Verrückt« und »verboten«, mit schwarzem Humor, ganz viel Herz und manchmal auch mit »Ekelfaktor«, so beschreibt der 58-Jährige die Anekdoten, die er in 15 Jahren zusammengetragen hat. Sie handeln von Computerfreaks und Sportskanonen, Flüchtlingen und Ärztekindern, Poplern und Pinklern. »Natürlich habe ich sämtliche Namen geändert, und es werden auch keine Geheimnisse ausgeplaudert«, verspricht er.

Moment – Pinkler? Nicht wirklich, oder? »Leider doch«, erinnert sich Jürgen Scheller. »Da war diese junge Dame, die immer nur Einzelstunden buchen wollte. Irgendwann habe ich ihr gesagt, wir müssen eine Doppelstunde machen, du musst auf die Autobahn. Unterwegs wurde sie plötzlich ganz nervös, wippte auf ihrem Sitz herum. Als sie endlich damit herausrückte, dass sie auf die Toilette musste, hielt ich ganz schnell an, aber es war es schon zu spät. Meine Fahrlehrerkollegen haben sich später halb totgelacht: ›Die ist auch schon beim Klaus mitgefahren …‹ Ich habe die junge Frau übrigens weiter unterrichtet, allerdings habe ich einen Gummibezug in der Werkstatt besorgt.«

Zum Glück erlebt Jürgen Scheller am Steuer aber auch viele lustige und herzerwärmende Dinge. »Ich bekomme vieles mit und habe sogar schon Liebespaare zusammengebracht«, verrät er mit einem Augenzwinkern. »Einige sind inzwischen verheiratet. Das ist mein Plan: Sie zusammenzuführen, damit sie Kinder kriegen, die in 18 Jahren wieder bei mir Autofahren lernen können.« Dass Frauen nicht einparken können, ist dem Profi zufolge übrigens ein absolutes Gerücht. »Das war vielleicht früher mal so, als hauptsächlich Männer einen Führerschein besaßen. Frauen durften, wenn überhaupt, nur dann fahren, wenn der Gatte betrunken war, mit dem Ergebnis, dass sie sich mangels Fahrpraxis manchmal nicht besonders geschickt anstellten, den Wagen abwürgten und über Bordsteine bretterten. Das ist inzwischen zum Glück anders: Heutzutage fahren Frauen und Männer gleich viel und daher auch gleich gut!«

Sein Traum: Die Storys von einem Karikaturisten illustrieren und bei einem Verlag veröffentlichen zu lassen. Im Moment liegen die Geschichten noch in der Schublade. »Aber immer, wenn ich frühere Schüler auf der Straße treffe, werde ich gefragt: Wann gibt es dein Buch denn endlich zu kaufen?«

Wenn da nicht noch das Aussteigen gewesen wäre …

Von Jürgen Scheller

Bestanden! Die Freude war den Fahrschülern an den Gesichtern abzulesen. Wir standen alle neben dem Auto, um auf Heike zu warten, die als letzte vom Rücksitz aussteigen musste.

»Beeil dich!«, rief der Prüfer ihr noch zu. »Da kommt ein Vierzigtonner auf uns zu!« Heike  sah den Lkw, öffnete die Tür nur einen Spalt und wartete. Der Vierzigtonner donnerte aber so knapp am Fahrschulwagen vorbei, dass sein Sog die hintere Tür voll aufriss, welche mit geballter Kraft in den vorderen Teil des Fahrzeugs einschlug und stecken blieb. Unverletzt und mit hochrotem Kopf kletterte Heike aus dem Auto und rannte davon. Sie wollte auf keinen Fall ihren Führerschein wieder abgeben, den sie bereits unterschrieben hatte.
Eines ist mir an diesem Tage klar geworden: Ich werde an keinem Freitag, den 13., mehr Prüfungen fahren. Die Versicherung ›freute‹ sich auf meinen Bericht und ich über eine Erhöhung der Prozente.

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