Stadtmagazin Lünen: In der Stadt

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Eine Expedition durch die Stadtgeschichte

Was verbindet Mammutzähne, eine Scheibe vertrocknetes Roggenbrot und Glanzbilder? Sie alle erzählen Geschichten aus der Lüner Vergangenheit. Wir haben das frisch wiedereröffnete Museum der Stadt an der Graf-Adolf-Straße besucht und zwischen ungewöhnlichen Fundstücken und persönlichen Andenken so manchen Schatz entdeckt

»Ein Museum gehört ins Herz der Stadt!«

Wie viele seiner Exponate hat auch das Museum selbst eine bewegte Historie: 1937 wurde es im Klassenzimmer der alten Stadtschule ins Leben gerufen. Ab Mitte der 1960er residierte es in der ehemaligen Villa Cappenberg. 1983 zog die Sammlung ins Gesindehaus von Schloss Schwansbell um. »Der Standort war als Übergang gedacht, hielt sich dann aber etwas länger – bis Ende Oktober 2023«, berichtet Museumsleiterin Dr. Katja Stromberg. »Die Location war idyllisch, aber einfach zu abgeschieden. Ein Museum gehört ins Herz der Stadt!« Mit der Villa Urbahn fand sich ein passender Ort mitten im Zentrum, gleich neben dem Rathaus: Das denkmalgeschützte Gebäude stammt aus den 1920er-Jahren und diente drei Generationen der Familie Urbahn als Wohnsitz und Augenarztpraxis. Hundert Jahre nach seiner Errichtung wurde es saniert, durch einen modernen Anbau ergänzt und mit Unterstützung des LWL-Museumsamtes in ein neues Zuhause für die Lüner Stadtgeschichte verwandelt.

Kaffee & Kino

Schon beim Betreten fällt ein raffiniertes Detail ins Auge: Die Schließfächer tragen keine Nummern, sondern Namen bekannter Persönlichkeiten samt kurzer Erläuterung. So lernen wir noch vor Beginn der eigentlichen Ausstellung, dass der Bergmann Bernhard Falk geologischer Sammler und Mitbegründer des Lüner Museums war. »Es ist heutzutage nicht mehr so, dass man die Türen aufschließt und das Bildungsbürgertum strömt herein«, sagt Dr. Katja Stromberg mit einem Augenzwinkern. »Man muss kreativ werden, um die Menschen zu erreichen. Deshalb finden Sie bei uns keine langatmigen Texttafeln. Wir setzen auf kurze, klare Infos, Videostelen und Stationen zum Anfassen.« Unser Rundgang startet im Foyer, das mit Loungemöbeln und einer Kinoleinwand ausgestattet ist. »Bis hierher darf man auch seinen Kaffee vom Automaten mitnehmen«, so Dr. Katja Stromberg. Eine gute Nachricht für alle, die gemütlich verweilen und einen von fünf Kurzfilmen anschauen wollen.

Wo echte Menschen berichten

Vom Foyer aus gelangen wir über einen Korridor in den benachbarten Altbau. Dort erblicken wir ein architektonisches Juwel: die originale Eingangstür der Villa Urbahn von 1925. Heute steht sie ausnahmsweise offen und wir können den Messingbeschlag an der Außenseite bewundern: die Initialen HU für Hermann Urbahn und die Äskulapschlange als Symbol der Heilkunde. Die Farbgestaltung – hellblau, altrosa und goldbraun – setzt sich in den Themenräumen der Dauerausstellung fort. Das erste Zimmer stellt traditionelle Lüner Unternehmen und ihre Erzeugnisse vor: ein gusseiserner Ofen, eine elegante Parfümflasche, die Buttermaschine ›Immerflott‹. BesucherInnen können Arbeitskleidung anprobieren und den Stimmen von echten Menschen lauschen, die aus ihrem Berufsleben berichten.

»Erzählt es eine Geschichte?«

Der Themenbereich ›Wohnen‹ dient zugleich als Trauzimmer. Zu bestaunen sind schwarz-weiße Hochzeitsfotografien, edles Porzellan, Puppenhausmöbel hinter Glas. Bei vielen Erinnerungsstücken handelt es sich um private Schenkungen. »Immer wieder bieten uns Bürger alte Habseligkeiten an«, schmunzelt die Museumsleiterin. »Natürlich müssen wir abwägen: Hat es einen Bezug zu Lünen? Besitzt es Seltenheitswert? Erzählt es eine Geschichte?« Sie verrät: »Gestern erst habe ich zwei schlichte Stühle aus den 1950er-Jahren aufgenommen. Ausschlaggebend war die Geschichte der Lünerin, die darauf nähte. Auf dem Holz sind noch ihre Bleistiftnotizen erkennbar. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sie für ihr Enkelkind Hosenbeinchen gekürzt und die Maße gleich am Sitz notiert hat.« Der Themenraum ›Kinder und Spielen‹ zeigt das jüngste Exponat: einen Fußball von 2025. »Es reicht nicht, alte Gegenstände in Schaukästen zu präsentieren«, betont Dr. Katja Stromberg. »Manches ist so weit von der Lebensrealität entfernt, dass man aktuelle Objekte zum Vergleich braucht.«

Wertvolles, Exotisches und Kurioses

Im nächsten Raum dreht sich alles um die Familie Waldschmidt, die sich ab 1800 in Lünen ansiedelte und rund 150 Jahre Stadtgeschichte repräsentiert. Dr. August Waldschmidt war damals der erste Mediziner vor Ort. Die hiesigen Ausstellungsstücke stammen komplett aus dem Besitz der Familie, darunter allerlei Wertvolles, Exotisches und Kurioses: Goldschmuck, ein geschnitzter Elefantenkopf aus Mahagoni und Elfenbein, eine Scheibe vertrocknetes Roggenbrot. »Auch dazu gibt es eine Anekdote«, weiß Dr. Katja Stromberg. »Das Brot soll einem Soldaten im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) gehört haben, der in seiner Pause beim Essen gestört wurde. Ein Verwandter fand die Scheibe später, legte sie zusammen mit einem Zettel in eine Dose und bewahrte sie auf. Von da an wurde das Brot über Generationen innerhalb der Familie weitergegeben – mit der Botschaft, Kriege künftig zu vermeiden.«

Die goldenen 1920er und ein Tresor voller Geheimnisse

Ab sofort beheimatet das Museum auch eine Wechselausstellung. Sie befindet sich in einem Saal im Untergeschoss des Neubaus. Am 28. September beginnt die 1920er-Jahre-Schau ›Wie golden war es wirklich?‹ – passend zum 100. Jubiläum der Villa Urbahn. »Wir wollten wissen, wie es zu der Zeit in Lünen aussah: War es so schillernd wie in Berlin?« Der letzte und wahrscheinlich spannendste Teil der Dauerausstellung ist ebenfalls hier unten untergebracht: die ›Lünen Schätze‹. Ehe wir sie entdecken, werden wir durch ein Tropfen abgelenkt – kein technischer Defekt, sondern die Klanginstallation ›Das Rohrwerk III‹ des Künstlerpaares Catharina und Dieter Wagner! Daneben zieht ein stählerner Koloss die Blicke an: ein 1,5 Tonnen schwerer Geldschrank der Sparkasse aus den 1880er-Jahren. »Die Sparkasse hatte damals noch kein festes Haus«, erfahren wir. »Sie war da, wo der Direktor wohnte.« Schließlich sichten wir das versteckte Highlight: eine unscheinbare Tresorwand mit 52 dunklen Fächern. Drückt man eine Nummer auf dem Touchpad, leuchtet die gewählte Vitrine hell auf und gibt ihr Geheimnis preis: eine Sammlung zauberhafter Glanzbilder etwa, oder ein über mehrere Millionen Jahre altes Mammutgebiss, oder … Doch halt, stopp. Wir wollen nicht zu viel verraten. Besuchen Sie das Museum und sehen Sie selbst – es lohnt sich!

Ausstellungen

›Wie golden war es wirklich‹
Die 1920er-Jahre – wild, modern, politisch brisant. Ab dem 28. September lädt das Museum zu einer Spurensuche: Wie erlebte Lünen Revolution, Krisen und Modernisierung.

›Abgedreht!‹
Die Filmcrew Lünen präsentiert sich noch bis zum 4. Oktober im Lünen-Fenster

Umwelt und Heimat
Ab 4. November ist der Arbeitskreis ›Umwelt und Heimat‹ für sechs Wochen im Lünen-Fenster präsent.

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