Stadtmagazin Lünen: In der Stadt

Flügelschläge am Tor zur Stadt

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Zu Besuch am Lüner Taubenloft

Gurren, Flügelschlagen, flatterndes Durcheinander. Buntes Gefieder changiert im hellen Sonnenlicht in den schönsten Farben, von Petrolblau über Smaragdgrün bis hin zu schillerndem Violett. Mit einem eleganten Schwung landen die Täubchen auf dem Dach des Containers, machen kurz Platz für Nachzügler und drehen noch eine Ehrenrunde durch die Luft, ehe sie sich auf den kleinen Balkonen niederlassen und das Körnerbuffet begutachten. Es herrscht ein emsiges Kommen und Gehen am Taubenloft an der Stadttorbrücke.

Putzig statt schmutzig

Wer sich die Zeit nimmt, das lebhafte Treiben zu beobachten, erkennt schnell: Diese Tiere sind besser als ihr Ruf. »Wenn man sieht, wie oft sie sich putzen und wie gerne sie baden, merkt man, dass sie alles andere als schmutzig sind«, sagt Lorena Ratzke vom Verein ›Stadttaubenhilfe Dortmund/Lünen e. V.‹. »Natürlich können sie theoretisch Krankheiten übertragen. Das gilt aber für alle Tiere, auch für Hunde oder Katzen, nur wird darüber eben kaum gesprochen.« Verantwortlich für die hohe Zahl der Tauben in den Städten ist – man kann es sich denken – der Mensch. Denn die von den Felsentauben abstammenden Vögel wurden über Jahrhunderte gezüchtet – als Brieftauben, Fleischlieferanten oder für den Rennsport. »Als sie nicht mehr gebraucht wurden, verwilderten sie und vermehrten sich durch den angezüchteten Brutzwang«, weiß die 25-Jährige, die eine Ausbildung als tiermedizinische Fachangestellte absolviert. »Doch im Gegensatz zur scheuen Ringeltaube sind sie nach wie vor an den Menschen gewöhnt – und auf ihn angewiesen.«

Wohin mit dem Findelkind?

Hier springt die ›Stadttaubenhilfe Dortmund/Lünen e.V.‹ ein. Der Verein wurde vor rund anderthalb Jahren offiziell gegründet. Als loser Zusammenschluss von engagierten TaubenfreundInnen existiert die Gruppe allerdings schon deutlich länger. »Viele von uns haben irgendwann eine verletzte Taube gefunden und standen dann vor der Frage: Wohin damit?«, erzählt Lorena. Sie erinnert sich noch gut an ihr erstes ›Findelkind‹. »Es war im September 2021. Mögliche Pflegestellen waren belegt. Also habe ich den Vogel zur Taubenklinik nach Essen-Katernberg gebracht und ihn dann nach Anleitung des Tierarztes mit Antibiotika aufgepeppelt. Das war anfangs ein echter Kampf! Ich hatte ja keine Erfahrung und wusste nicht, wie ich das Tier händeln muss.« Doch die Taube berappelte sich, wurde wieder gesund. Und für Lorena ging die Arbeit erst richtig los: Heute ist sie ›Pflegemama‹ von acht gefiederten Schützlingen: verletzte Tiere, aus dem Nest gefallene Jungvögel, gestrandete Brieftauben.

Vom Überseecontainer zum Luxusdomizil

Eine zentrale Aufgabe der Lüner TierschützerInnen ist die Eiersuche – ja, Sie haben richtig gelesen. Seit 2021 haben die Ehrenamtlichen über tausend echte Eier gegen Kunsteier ausgetauscht. Der Gedanke dahinter: Die Tauben dürfen weiterhin brüten – aber ohne Nachwuchs. Denn Tauben sind treue Seelen: Sie pflegen monogame Beziehungen und bleiben ein Leben lang zusammen, wenn man sie lässt. Und das will man ihnen doch gönnen. Im September 2024 wurde mit großzügiger finanzieller Unterstützung der Stadt Lünen schließlich das neue Loft eingeweiht: ein ausgebauter Überseecontainer mit 77 Nistplätzen und Futterstellen. Für die Lüner Taubenfamilien, die früher in den Spalten der benachbarten Brücke hausen mussten, ist das neue Luxusdomizil ein echter Hoffnungsschimmer. Viele haben sich bereits häuslich eingerichtet.

Gut für alle!

Doch nicht nur die Turteltäubchen sind schwer begeistert: Auch die PassantInnen, die vom Theater-Parkplatz Richtung Innenstadt laufen, können sich über die positive Entwicklung freuen. »Der Bereich unter der Brücke ist spürbar sauberer«, berichten Andrea Komac und Maria Fahlbusch, die sich ebenfalls im Verein engagieren. Ein netter Nebeneffekt sind darüber hinaus die gesunkenen Reinigungskosten: Die städtischen Putzteams müssen jetzt nicht mehr so oft ausrücken, um die weißen Kleckse zu beseitigen. Demnächst sollen die letzten Nischen an der Brücke vergrämt werden, die derzeit noch als Unterschlupf dienen. »Dann wird es hier bei uns noch voller«, lächelt Andrea Komac. Die Frauen sind sich einig: Das neue Taubenloft ist gut für alle! »Die Anschaffung rentiert sich schon. Das Tor zur Innenstadt wird deutlich aufgewertet.«

Verletzte Taube – was tun?

Neben ihrem Einsatz am Loft bieten die Ehrenamtlichen weiterhin private Pflegeplätze für verletzte oder kranke Tauben in Lünen, Dortmund und Bergkamen an. Die Nachfrage ist groß: Der traurige Tagesrekord liegt aktuell bei zwölf Fundtieren. Lorena Ratzke und ihre MitstreiterInnen reagieren schnell, geben Tipps und holen die Täubchen häufig selbst ab. Ihr Appell: »Wenn eine Taube aufgeplustert in der Ecke sitzt oder verletzt wirkt, sollte sie nicht allein zurückgelassen werden. Denn in so einem Zustand überleben sie meist nicht lange.« Besser sei es, das Tier mithilfe eines Handtuchs in einen Karton zu setzen und den Verein zu kontaktieren – mit Postleitzahl und Foto. Futter oder Wasser? Lieber nicht! »Die Tiere haben eventuell keine Koordination und könnten sich verschlucken oder ertrinken«, weiß Lorena. Das Taubenloft ist übrigens kein geeigneter Abgabeort: Es ist nicht rund um die Uhr besetzt. Zudem könnten erkrankte Tiere gesunde anstecken. Wer direkt zum Tierarzt möchte, sollte darauf achten, dass dieser auf Zier-, Zoo- und Wildvögel spezialisiert ist.

Ein friedvolles Miteinander

Die Tauben von Lünen haben nun also ein Zuhause, das ihnen Sicherheit und Fürsorge bietet. Und die Stadt freut sich über die sichtbare Aufwertung des öffentlichen Raumes. Dazu werden auch noch Kosten gespart. Die Zeichen für ein friedvolles Miteinander von Täubchen und Mensch könnten nicht günstiger stehen. Wer sich trotz allem über die angeblichen ›Ratten der Lüfte‹ aufregen möchte, dem sei ein Praktikum bei der Stadttaubenhilfe ans Herz gelegt. Zwischen schlagenden Flügeln, neugierigen Äuglein und pickenden Schnäbeln dürfte selbst der grummeligste Miesepeter sein Herz für Tiere entdecken: Diese gefiederten Geschöpfe sind keine Plage, es sind empfindsame Wesen mit einem freundlichen Charakter und einem herzhaften Appetit.

Weitere Infos zum Verein finden Sie unter

Facebook: Stadttaubenhilfe Dortmund/Lünen e.V.
Instagram: @stadttaubenhilfedortmundluenen

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