Stadtmagazin Lünen: In der Stadt

Vom Saatkorn zum Körnerbrot, vom Wasserrad zum Wohlstand

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Der weite Weg zu Mühle und Mehl führt auch zu den Lausbuben Max und Moritz

»Brot und Spiele – panem et circenses!« Die alten Römer verstanden es schon vor 2.000 Jahren, bei ihren Untertanen durch gute Verpflegung und Spiele die meisten Umsturzgedanken zu vertreiben. Nicht anders war dies in Lünen. Dort wurde zur Grundversorgung der Bevölkerung 1535 erstmals die Mühle Schloss Buddenburg in Lippholthausen erwähnt. Mit ihr wurde viel Kraft der Männer und Pferde, die vorher die Mühlsteine bewegten, überflüssig. Zehn Kilowatt Energie – das sind 14 PS – mahlten nicht nur Korn- und Ölsaaten. Sie konnten auch Holz sägen, ließen die Hämmer schwingen. Für die Bauern rund um Buddenburg bestand ein Mahlzwang. Diese Arbeiten brachten Geld in die Taschen des Adels.

Beckinghausen mit zwei Mühlen

Die heutige Mühle Lippholthausen baute Wessel Giesbert von Frydag 1760 – barocker Baustil, steinerner Unterbau. Nach über 400 Jahren wurde 1930 in der Kornmühle die Arbeit eingestellt. Der obere Teil des Mühlenteiches – einst gespeist von den vier Bächen Rühenbecke, Brunnengraben, Igelbach und Mühlenbecke – wurde beim Bau des Lippewerkes 1938 zugekippt. Seit 2002 kümmern sich die Mühlenfreunde Lünen um den Bestand der Mühle Buddenburg. Diese wurde 1970 restauriert, erhielt ein Wasserrad und wurde 2006 eingeweiht. Sie ist eine von einst neun Mühlen auf dem Lüner Stadtgebiet. Die erste Mühle an der St. Marien-Kirche, an einem Seitenarm der Lippe, wurde sogar erstmals 1187 urkundlich erwähnt. Gegenüber den heutigen Alstedder Tennisplätzen, auf Nordlüner Gebiet, stand die Mühle Schulze Pelleringhof. Weiter gab es die Mühlen Engelke, Schwansbell, Kiliansbach und Aden. In Beckinghausen mahlten sogar zwei Mühlen. In Lünen waren ab dem Mittelalter die meisten Mühlen dem Kloster Cappenberg verpflichtet.

Über 300 Brotsorten

Deutschland ist mit über 300 Brotsorten weltweit führend. Der Weg vom Saatkorn zum frischen Kornbrot ist aber weit. Bis zu 20 Getreidesorten werden in und um die Lippestadt angebaut. Dabei füllen Produkte wie Hafer, Hirse, Mais, Roggen und Weizen eher die Teller der Menschen. Neben diesen gibt’s fürs liebe Vieh aber auch Gerste, Mais und Triticale – eine Zucht aus Weizen und Roggen. Gerste wird dabei sowohl als Sommer- wie auch Wintergetreide zweimal im Jahr ausgesät. Die Winterernte wird bevorzugt verfüttert. Die Sommergerste wird von Brauereien und Whisky-Herstellern gekauft. Der Weizen ist die unangefochtene Nummer Eins in Mitteleuropa. Er hat insgesamt die größten Anbauflächen, ist das weltweit mit bedeutendste Getreide. Der Roggen schmeckt dem Menschen als Brot, wird aber auch
als Viehfutter angebaut. Hafer ist uns als ›Flocken‹ bekannt. Inzwischen werden aber auch Hafermehl und Hafermilch angeboten. Doch wer glaubt, Hafer sei das beste fürs Pferd, irrt. »Mit Hafer werden nur die Großpferde gefüttert. Die kleineren Tiere, die Ponys, kommen mit Grünfutter aus. Bekämen diese Hafer, könnten sie daran erkranken und würden zu viel an Gewicht zulegen«, wissen die Landwirte.

Für Mensch und Vieh

Triticale findet in der Schweinemast Verwendung. Aber auch die Großbäcker haben die Kreuzung entdeckt und verwenden das Korn bei der Herstellung von Vollkornmehl. Haben diese Getreide alle Ähren, in denen die Körner reifen, so bildet der Mais eine Ausnahme. Er wird bis zu 2,50 Meter hoch und entwickelt seine Körner in Kolben. Während er in Amerika eines der wichtigsten Nahrungsmittel ist, gilt er in unseren Breiten als ideales Viehfutter. Die Ernte beginnt in der Regel Mitte Juni mit dem Schnitt der Gerste. Ende ist gegen Ende August. Das Getreide ist reif, wenn die Körner weniger als 15 Prozent feucht sind. War es im letzten Jahr für das Getreide zu heiß, so fiel in diesen Wochen zu viel Regen. Der Schnitt musste mehrfach verschoben werden. Grenzwertig fiel ein Teil der Qualität aktuell aus. Es reichte nicht unbedingt zum Mehlmahlen. Klappte dies mit dem verregneten Getreide nicht mehr, wurden die Körner ans Vieh verfüttert. Letzte Möglichkeit für schlechtes Korn war nur noch die Nutzung einer Biogasanlage, die immerhin für umweltfreundliche Energie sorgte.

Bambi-Retter ohne Lärm und Staub

Die Ernte einst: Nein, sie war eher nicht romantisch, sondern für die gesamte Familie schweißtreibende Schwerstarbeit. Bis ins 18. Jahrhundert kamen fast nur die Hände zum Einsatz – in der Hand die Sense zum Schnitt und zum Entkörnen der Dreschflegel. Mit diesem bäuerlichen Altgerät wurden die Getreidekörner von Stroh, Spreu und mehr getrennt. Ab dem nächsten Jahrhundert erleichterten die ersten Dreschmaschinen die Ernte. Aber nicht unbedingt einfacher wurde es für die kleinen Bauern und Nebenerwerbslandwirte in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Geschnitten wurde auch damals noch mit einfachen Geräten. Die Halme mit den Ähren wurden von Hand zu Bündeln verarbeitet. Diese Garben wurden zu Puppen – unten breit und oben spitz – zusammengestellt. Die Abfuhr auf den Hof erfolgte lange mit Pferdewagen, dann mit Treckern. Das alles ist nicht zu vergleichen mit den heutigen Dreschmaschinen. Der Fahrer sitzt in einem Cockpit, das frei von Staub und Lärm ist. Auf dem Feld wird die Schnitthöhe eingestellt. Im Gerät kommt die Dreschtrommel zum Einsatz. 90 Prozent der Körner werden erfasst, kommen in den Körnertank, dann in einen Aufzug. Aus diesem füllen sie die neben dem Drescher von einem Traktor gezogenen großen Anhänger. Der Drescher verarbeitet auch gleichzeitig das Stroh zu großen Rädern und Ballen, nutzbar zum Beispiel als Einstreu in den Ställen.

Die Mähdrescher donnern bei Tag und Nacht über die Felder. Sie und ihre Maschinen werden begleitet von Drohnen. Diese suchen das Getreide ab, finden die jungen Rehkitze. Diese ducken sich nur tief, werden aber oft nicht gerettet. Gut, dass der Mensch mit seiner Drohne die Bambis noch vor den tödlichen Messern retten kann.

Bernd Janning

Es war einmal …

Der deutsche humoristische Dichter Wilhelm Busch veröffentlichte 1865 seine Geschichten um Max und Moritz. Die beiden Lausbuben mussten mit ihrem letzten Streich – sie schlitzten Bauer Mecke die Kornsäcke auf – das Zeitliche segnen. Der Bauer erwischte das Duo in seinem Getreide, steckte es in einen Sack, brachte es zur Mühle und rief: »Müller, mahl dies so schnell wie du kannst!« Rickeracke, ging die Mühle mit Geknacke. Fein geschrotet, waren die Buben zu erblicken, dann schnell verzehrt von Meister Müllers Federvieh. Die Lausbuben zählen seit über 150 Jahren zum deutschen Kulturgut, veröffentlicht in über 200 Sprachen. Busch gilt als einer der Urväter des modernen Comics. Die Autorin Eva Weissweiler sieht in ›Max und Moritz‹ nicht nur ein lustiges Buch, sondern eine Kritik an der damaligen Zeit. Verarmt wanderten Familien nach Amerika aus, ließen ihren Nachwuchs zurück. Statt zur Schule ging dieser, um zu überleben, zum Stehlen. Weissweiler: »Kinder wurden für Mundraub sehr hart bestraft.«

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