Stadtmagazin Lünen: Dies und Das

Rund um den Jakobsweg in Lünen

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Kapellen, Klostertunnel, Kunst, Mühle, Pestfriedhof und Pferdesport

Abertausende Pilger wanderten und wandern auf dem Jakobsweg – auch von Deutschland aus – bis nach Santiago de Compostela im hohen Nordwesten Spaniens. Noch mehr oder weniger fromme Wanderer begaben sich auf die außergewöhnliche Route, nachdem vor 21 Jahren der deutsche Entertainer und Schauspieler Hape Kerkeling auf diese Tour ging. Er startete im französischen Pyrenäen-Dorf Saint-Jean Pied-de Port an der Grenze zu Spanien. Fast 800 Kilometer legte der heute 58-Jährige damals in 35 Tagen zurück, erreichte erschöpft, aber mit neuen Erkenntnissen bedacht, zufrieden sein Ziel.

Auch ein Paar aus den hiesigen Gefilden erforschte unlängst im 30 Kilometer von seiner Geburtsstadt Recklinghausen entfernten Lünen einen klitzekleinen Teil des Jakobsweges auf westfälischem Boden in und um die Lippestadt. Dabei fanden sie links und rechts der Strecke zahlreiche Zeitzeugen, die sonst nicht auf den ersten Blick auffallen, oder – weil allgemein bekannt – nicht mehr näher beachtet werden: Klöster, Kirchen, Kapellen, alte Mühlen, alte Gaststätten, Ateliers und eine bundesweit bekannte Reitanlage.

Historie: Der Fußmarsch begann nördlich von Lünen nahe am Nachbarort Werne. Führt der Jakobsweg dort schon durch den Cappenberger Wald, entdeckt man dort – wenig entfernt in Lenklar – im Tal der Lippe, direkt an der B 54, die Rochus-Kapelle. Namensgeber war der heilige Rochus von Montpellier (1295–1375), Schutzpatron gegen Lepra und Pest. Wegen der tödlichen Ansteckungsgefahr und zu befürchtenden Epidemien wurden die Kranken damals aus der Stadt verbannt. Ein Siechenhaus soll in Lenklar 1380 gebaut worden sein, wie auch schon die Kapelle und ein eigener Friedhof, auf dem 1772 laut historischer Überlieferungen das letzte Opfer begraben wurde. Gut 100 Jahre später wurde die alte Kapelle durch eine neue ersetzt und dem heiligen Georg geweiht. Den später drohenden Verfall verhinderten die Bewohner der Bauernschaft und die Martins-Gesellschaft.

Gegenwart: Weiter gen Lünen findet sich das Landgasthaus und Hotel Galgenbach. Nahe dem heutigen Biergarten soll vor Urzeiten ein Galgen gestanden haben. An diesen soll in jüngerer Zeit ein großes Holzkreuz erinnert haben. Gegenüber befindet sich die Reitanlage Ludger und Lutz Gripshöver. Das jährliche Reit- und Spring-Turnier zu Ostern – die Lenklarer Reitertage – sind bundesweit bekannt und international besetzt.

Historie: Ungewöhnlich steil für das Münsterland steigt die B 54 bis zum früheren Restaurant Jagdhaus Langern an. Beeindruckend ist der weite Blick ins Lippetal. Den Knapp hinunter – Richtung Lüner Innenstadt – wird nach rechts in den Weg Im Hoerm abgebogen. Ziel ist die versteckt liegende Kapelle St. Antonius, im dritten Jahrhundert Begründer des Mönchstums in Ägypten und Schutzherr der Viehbauern. Erwähnt wird das Gotteshaus, genannt Bietmanns Kapelle, erstmals 1374. Von 1990 stammt die Antonius-Figur des Lüner Bildhauers Reinhold Schröder. Das Gebäude und das Umfeld werden vorbildlich vom Langerner Schützenverein gepflegt.

Historie und Gegenwart: Der Kiliansbach ist die heutige Grenze zwischen Werne und Lünen. Das war nicht immer so, wie der Blick in die Geschichte der dortigen ehemaligen Jugendherberge zeigt. Diese wurde zum 50. Geburtstag von Richard Schirrmann, dem Gründungsvater der Jugendherbergen, im Mai 1924 eröffnet. Auf einer Steintafel war zu lesen: ›Wanderndes Jungvolk aus Lünen und Derne ehrt durch dieses Heim zum 50. Wiegenfeste den Gründer des Herbergswerkes Schirrmann. A. D. 15. 5. 1924.‹ Mal wurde das 42-Betten-Haus unter Werne, dann unter Lünen, auch unter Lünen-Derne geführt. 1935 wurde daraus ein Kinderheim, ab 1945 eine Unterkunft für Ostflüchtlinge. Zuletzt wurden dort unter der Adresse Lünener Straße 117 Schäferhunde gezüchtet.

Die Herberge entstand dort, wo ab 1822 bis vor dem ersten Weltkrieg die Wassermühle am Kiliansbach (Zeichnung aus Geschichte Altlünens von Aloys Siegeroth) arbeitete. Die Wasserschaufeln wurden dann von einer Dampfmühle verdrängt. An der Gaststätte Kiliansmühle, dem heutigen China Restaurant Buffet House, quetscht sich in einer gefährlichen Kurve die B 54 zwischen die Gebäude. In dem Haus zur Lippe hin entstand 1984 mit der Galerie Anders ein Mekka für zahlreiche heimische und auswertige Kunstfreunde.

Historie: Gleich auf mehreren stillen Wegen, an Wiesen vorbei oder durch Wälder, gelangt der Wanderer, auch durch das Kohuesholz, zum bekannten Schloss Cappenberg. Dieses liegt auf einer Kuppel um 100 Meter hoch und gibt einen weiten Blick in Richtung Dortmund und Hamm frei. Gottfried II. gründete dort 1122 das erste Prämonstratenser Kloster im deutschen Raum, anschließend auf Cappenberg für seine Gattin und seine Schwester eine Frauen-Abtei. Will man den Erzählungen alter Cappenberger Glauben schenken, sollen beide Klöster durch einen Tunnel verbunden gewesen sein. 1816 wurde das Schloss vom Freiherrn vom Stein als Altersruhesitz gekauft, er verstarb dort 1831 mit 74 Jahren. Zusammen mit der Stiftskirche im Innenhof und dem Museum spiegelt der Prachtbau mit seinem roten Ziegeldach mehr als die Kulturgeschichte Westfalens wider. Stärken können sich die Besucher auf der alten Kegelbahn, die zu einem Café und Restaurant umgebaut worden ist.

Gegenwart: Wer Schloss Cappenberg näher kennenlernen möchte, muss schon einen halben Tag investieren. Den Hügel hinab geht es, je nach Wunsch, durch ruhiges Waldgebiet wie Südholz, Nordlüner oder Wethmarer Mark  am Cappenberger See vorbei, oder an teils wenig befahrenen Straßen entlang in die Lüner Innenstadt mit den beiden letzten Zielen, der St. Marien- und der St. Georg-Stadtkirche.

Historie: Nördlich der Lippe, der natürlichen Grenze des Münsterlandes vom Hellweg und dem Kohlenpott, steht St. Marien, die Pfarrkirche für Lünen-Nord, Al­stedde, Nordlünen und Wethmar. Diese wurde 1018 erstmals erbaut, 1254 bei der Schlacht auf dem Wülferichskamp in Brechten zerstört und danach als Festung und Kerker missbraucht. Die Marien-Wallfahrt wurde 1319 das erste Mal in einer Urkunde bestätigt, gilt als älteste im Bistum Münster. Am 7. Januar 1834 ertranken nach dem Gottesdienst neun Gläubige und der Fährmann bei einem Bootsunglück auf der Rückfahrt von St. Marien nach Beckinghausen auf der Hochwasser führenden Seseke. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Gotteshaus ohne große Schäden.

Die Stadtkirche St. Georg liegt am St.-Georg-Kirchplatz 1, unmittelbar an der Fußgängerzone Lange Straße. Das ab circa 1360 errichtete Gotteshaus stand auf der einst höchsten Stelle der Stadt am Alter Markt. Heute ist es das wohl älteste erhaltene Gebäude Lünens –  ein spiritueller und lebendiger Ort. Mit ihren Konzerten, Ausstellungen und dem Café am Turm ist die Stadtkirche ein Teil des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens von Lünen. Erwähnenswert sind Wand- und Deckenmalereien, sowie der bedeutende Flügelaltar aus 1470, der in einer Liesborner Meisterwerkstatt entstand, und der hölzerne St. Georg, Werk eines polnischen Künstlers.

Gegenwart: Eine Tagestour links und rechts des Jakobsweges ist nach ca. 20 Kilometern – je nachdem, welche Strecke gewählt wurde – in der Lüner Stadtkirche beendet. Susanne Haumann, Sozialpädagogin in St. Georg, drückt gerade in der Sommerzeit den Stempel in die Pilgerbücher ein als Nachweis, welcher Teil des Jakobsweges erwandert wurde. Gestempelt wird auch in der Cappenberger Stiftskirche.

Auf dem westfälischen Teil des Jakobsweges könnte jetzt weiter Richtung Dortmund gewandert werden. Die Strecke zählt insgesamt elf Etappen, beginnt in Osnabrück, führt über Münster, Lünen, Dortmund und Herdecke über Wuppertal bis nach Köln. Für die um 270 Kilometer sind 70 Stunden Gehzeit an insgesamt elf Tagen einzuplanen.

Bernd Janning

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