Pack die Badehose ein – Freibadspaß rund um die Lippe in Lünen
Schwimmen und sonnen in modernen Erholungszentren – Wo bleiben die Besucher? Sandstrand und Kanal beliebter?
›Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein. Und dann nischt wie raus an den Cappenberger See!‹ 1951 sang Conny Froboess diesen Gassenhauer, in dem wir aus dem Wannsee den Cappenberger See machten. Der ›Cappenberger‹ ist auch heute noch das beliebteste Freibad in und um Lünen.
Alles begann in der Lippe
Das erste Freibad wurde vor mehr als 120 Jahren an der Lippe an der Gartenstraße vor der damaligen Molkerei eröffnet. Ebenfalls an der Lippe baute der Schwimmverein Lünen 1908 in seinem Gründungsjahr auf Engelkes Wiese zwischen Seseke, Lange Straße und dem heutigen Theater das zweite Bad in der Geschichte der Stadt. Es gab sogar ein Ein-Meter-Sprungbrett. Ein Jahr später wurde dieses Bad wegen des tieferen Wasserstandes 300 Meter flussabwärts verlegt. 1916 zogen die 08er um, durften mit Erlaubnis der Kanalbaugesellschaft im Hafen des Lippe-Seitenkanals baden. Als wäre es ein Hobby, wechselte der SVL immer wieder den Standort. Anfang des Zweiten Weltkrieges eröffneten sie schon ihr fünftes Schwimmterrain, wieder neben dem Kanalhafen. 1949 wurde auf dem Gelände des Landwirtes Schulze-Gahmen am Kanal das nächste, vereinseigene Bad – mit 25-Meter-Becken – gebaut. Als jetzt diese Freizeitstätte dem Kanalausbau zum Opfer fiel, wechselten die 08er 2019 zum ›Cappenberger‹, bauten sich dort auch ein neues Clubheim.
Boden für die Bahn
Im Cappenberger See, entstanden zwischen 1919 und 1928 durch Bodenaushub für den Bahndamm der Linie von Lünen nach Münster, trainierte ab 1953 die Schwimmabteilung des TuS Westfalia Wethmar. Im vorderen Teil des Sees übten die Nichtschwimmer. An der heute noch existierenden Brücke vor den Eintrittskassen gab es sogar einen Drei-Meter-Sprungturm. Zwischen 1956 und 1957 wurde die neue Freibadanlage am Cappenberger See gebaut. Attraktion war der Sprungturm mit Absprungmöglichkeiten auf zehn, fünf und drei Metern. Der Turm und alle Becken verschwanden nach einem Totalumbau. 1982 erfolgte die Wiederöffnung. Ab 1954 konnte im ersten Hallenbad an der Dortmunder Straße – ebenfalls eines der ersten in NRW nach dem Krieg – geschwommen werden. Lange erfreute sich auch das Freibad an der Graf-Adolf-Straße in der Innenstadt großer Beliebtheit. Nach Überplanung des Cappenbergers See wurde es geschlossen.
Zechen-Sole in Brambauer
In Brambauer wurde der Teich am Overthunschen Hof 1938 zu einem Freibad ausgebaut. 1950 entstand der Schwimmverein Brambauer. Zuerst wurde in Sole gekrault, geliefert von der Zeche Achenbach. Nach weiteren Renovierungen wurde das Bad 1950 eröffnet. Zu Beginn der 70er-Jahre entstanden nicht nur die Kleinschwimmhallen in Brambauer, Horstmar und Lünen-Süd, sondern 1976 auch das Hallenbad an der Laakstraße in Nordlünen, das einer Wohnbebauung weichen musste. Dafür eröffnete Mitte September 2011 das Lippe Bad nach rund dreijähriger Planungs- und Bauphase als eines der ersten Passiv-Hallenbäder Europas seine Bahnen. Im Gegenzug wurden die anderen in die Jahre gekommenen zwei Hallenbäder und die Schwimmhallen geschlossen, abgerissen und die wertvollen Grundstücke vermarktet. Im Park von Schloss Bellevue in Berlin wurde das Lippe Bad im Juni 2012 als zukunftsweisendes Projekt bei der ›Woche der Umwelt‹ präsentiert.
Jährlich 250.000 Besucher im Seepark
Lünen war 1996 Gastgeber der Landesgartenschau. Auf ehemaliger Industrie- und Zechenfläche nahe dem Schloss Schwansbell entstand mit dem 65 Hektar – 650.000 Quadratmeter (!) – großen Seepark Lünen die weitläufigste öffentliche Freizeitanlage der Stadt. Der Eintritt, auch für Schwimmer, ist frei. Das lockt jährlich 250.000 Besucher an. Für den Cappenberger See ist Bäder-Geschäftsführer und Stadtwerke-Chef Dr. Achim Grunenberg schon zufrieden, wenn die jährliche 100.000-Gäste-Marke erreicht wird. »Das Freizeitverhalten hat sich geändert«, stellt auch Hugo Becker, Vorsitzender des Ausschusses für Bildung und Sport im Stadtrat und Vorsitzender des städtischen Bäderbeirates fest. »Die Jugend geht heute nicht mehr jeden Tag ins Schwimmbad. Sie ist mobiler geworden, hat früh ein Auto, erreicht damit andere Angebote, und wenn es ein ruhiger Platz ohne Eintritt an einem unserer Kanäle ist. Früher hatten wir an heißen Tagen 12.000 Besucher. Heute sind wir froh, wenn wir 3.000 haben! Mit Cappenberger See und Brambauer besitzen wir zwei tolle Freibäder. Dazu kommt das neue Hallenbad an der Lippe. Das sind energetisch drei Vorzeigeobjekte. Die gesamte Wasserfläche – ohne den Seepark – ist zwar um sechs Prozent kleiner als früher, dafür sind aber die Benutzerzeiten um acht Prozent erweitert.«
Weniger Energiekosten
Hugo Becker betont, die alten Bäder wären in teils katastrophalem Zustand und wirtschaftlich unrentabel gewesen. »Dagegen liegen beim Lippe Bad die Energiekosten fast 200.000 Euro im Jahr unter denen einer Schwimmhalle aus den 70er-Jahren. Insgesamt kosten die Bäder die Stadt jährlich drei Millionen Euro. Das ist so viel Geld, das trotz der knappen Kassen der Stadt aufgebracht werden muss. Zum Vergleich der Größenordnung: Für drei Millionen könnte man sechs Kunstrasenplätze bauen!« Eine Rückwendung zum alten Cappenberger See oder gar zu einem naturnahen, idyllischen Baden in der immer sauberer werdenden Lippe hält Hugo Becker für utopisch. »So schön der Zehn-Meter-Sprungturm am See war, er konnte nur genutzt werden, wenn das Bad leer war. Sonst war die Unfallgefahr zu groß. Und die alten Zeiten, als die Seseke noch direkt durch die Innenstadt und um die Herz-Jesu-Kirche floss, können wir nicht mehr zurückholen. Baden in der Lippe wäre heute wegen der hohen Uferböschung im Innenstadtbereich nicht möglich. Das ginge erst wieder auf dem Gebiet unseres Stadtteils Alstedde.«
Dämme halten heute auch beim Hochwasser die Lippe in ihrem Bett. Die angrenzenden Wiesen und Felder, vielfach Naturschutzgebiet, werden nicht mehr geflutet. Wer erinnert sich noch, wie die Lüner Jugend sich einst Holzflöße zusammenzimmerte, von denen sie ins Wasser sprang, um in den Lippe-Wiesen zu baden?
Bilder und Text: Bernd Janning
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