Stadtmagazin Lünen: Historisch

30 Jahre Stilllegung Zeche Minister Achenbach

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Auf Kohle geboren

Was einst ein Förderturm war, dient nun als Sockel für das im Volksmund bekannte ›Colani-Ufo‹. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude trinkt man heute Kaffee. Von der 2.200 Meter langen Seilbahn, die zum Transport von Material diente und deren Strecke durch den gesamten Ort Brambauer führte, ist schon lang nichts mehr zu sehen. Nachdenklich steht er da und schaut sich das Treiben einiger Jugendlicher an. ›Auf Kohle geboren‹, das steht gut lesbar auf seinem Shirt. Dieter Kniffka ist ein Arbeitsleben lang verbunden mit dem Bergbau. Zum 30-jährigen Jubiläum der Stilllegung der Zeche Minister Achenbach schaut er mit uns zurück.

Von ›Blagen‹ und ›Maloche‹

»Die Blagen hier wissen gar nicht mehr, was der Oppa malocht hat, wo sie jetzt spielen. Die wissen nicht mal, dass ›Blag‹ bei uns kein Schimpfwort war. Das ist ja heute alles anders, und du musst schon aufpassen, was du sagst, wenn du einer hübschen Dame ein Kompliment machen willst. Auffe Zeche kamst du auch nicht auf die Idee, dich zu siezen. Ich bin der Dieter, und wir sind hier per du!«, stellt Dieter Kniffka direkt zur Begrüßung beim Interview mit dem Stadtmagazin fest. 1973 begann er seine Ausbildung gemeinsam mit 100 weiteren Auszubildenden an Schacht 1 auf Zeche Minister Achenbach. Dieter Kniffka wählte die Laufbahn zum Betriebsschlosser, kümmerte sich im weiteren Verlauf seiner beruflichen Laufbahn um Einbau und Wartung der Einschienenhängebahn, die unter Tage zum Transport von Material und Personen diente. Selbst nach seiner aktiven Zeit, die er aufgrund gesundheitlicher Probleme mit 42 Jahren beendete, blieb er den Kumpeln als Versicherungsberater der Knappschaft Bahn/See treu. Der Bergbau, die Menschen und die damit verknüpfte Kultur: Das ist seine Welt. »Ihr sprecht immer von dieser Bergbau-Romantik. So romantisch war das mit der Maloche gar nicht. Aber Zusammenhalt, den gab es bei uns«, führt Dieter Kniffka aus. »Unter Tage musstest du dich nun mal aufeinander verlassen können, und das hast du auch mit nach oben genommen. Sei es untereinander oder gemeinsam im Arbeitskampf. Denn auch der hat mich mein gesamtes Berufsleben lang begleitet. Arbeiten ohne Arbeitskampf, das kenne ich gar nicht. Das war schon was anderes als das, was man heute so sieht im Berufsleben und in der Nachbarschaft. Ich finde, die Erinnerung daran muss man am Leben halten. Mit allen guten und allen nicht so schönen Seiten.«

Das kulturelle Erbe bewahren

Die Erinnerung am Leben zu erhalten, das ist in Pandemiezeiten gar nicht so einfach. Feierte man zum 10. und 20. Jahrestag der Stilllegung noch groß, so musste von solcherlei Planungen zum 30. Jahrestag am 30. Juni abgesehen werden, wie Dieter Kniffka erläutert: »Da steckte zu viel Unsicherheit drin, weil man nicht wusste, wie sich die Pandemie entwickeln wird. Daher haben wir von großen Feierlichkeiten abgesehen. Stattdessen dekorieren lokale Gewerbe wie die Glückaufapotheke Streich und die Parfümerie Pieper ihre Schaufenster mit Erinnerungen an die Zeche Minister Achenbach. Einige Presseartikel gibt es eben auch. Es geht uns darum, das kulturelle Erbe zu bewahren, denn auch die Reihen derer, die im Bergbau aktiv waren, lichten sich.«

Fachkräftemangel?!

Wo einst sieben Schächte in Spitzenzeiten für etwa 5.500 Arbeitsplätze sorgten, finden sich heute Dienstleistungsgewerbe, Technologieunternehmen und Kultureinrichtungen. Wer nicht weiß, was hier einst geschah, dem bleibt vieles auf den ersten Blick verborgen. »Ich könnte jetzt vieles Werbewirksames über den Wandel sagen«, fährt Dieter Kniffka fort, »aber ganz ehrlich: Der Wandel interessiert mich nicht. Was mich mehr beschäftigt, ist, dass wir hier Kohle aus Russland und China teuer importieren und verstromen, die noch dazu von minderer Qualität ist als unsere eigene. Das hätten wir alles selbst liefern können. Stattdessen ist hier alles dicht, und wir beklagen uns gleichzeitig über den Fachkräftemangel!« Fachkräftemangel? Jawohl. Vom Unterhalt bestehender Schächte über die Unterstützung von Bergbauunternehmen auf dem Weltmarkt bis hin zu wachsenden Zweigen im deutschen Bergbau wie der Gewinnung von Lithium, das in der modernen Akkutechnologie dringend benötigt wird, gibt es noch und wieder Bedarf von Bergmanns-Know-how in unseren Breiten und darüber hinaus. »Der Bergbau ist nicht tot und wird das auch noch lange nicht sein«, erklärt Dieter Kniffka mit wissendem Blick. »Das Trainingsbergwerk in Recklinghausen, wo früher Bergleute ausgebildet wurden, ist heute ein schönes Ziel für einen Ausflug mit der Familie. Hier bietet man auch Führungen an, ähnlich wie im Bergbaumuseum in Bochum.«

Schlummernde Schätze

Die Erinnerungen zum 30. Jahrestag der Stilllegung der Zeche Minister Achenbach wachzuhalten, ist somit nicht reiner Selbstzweck. Es ist kein Verweilen in einer bloßen romantischen Stimmung einer längst vergangenen Zeit, von der nicht mehr viel sichtbar ist. Geschichte und Gegenwart sind stattdessen vielschichtiger, korrespondieren mit dem aktuellen Weltgeschehen und der technologischen Entwicklung unserer Gesellschaft. Das Wissen und die kulturellen Errungenschaften derer zu erhalten, die für unseren heutigen Wohlstand ›malocht‹ haben, ist eine Aufgabe, die nicht bloße Symbolwirkung hat. Stattdessen werden hier Ressourcen gebündelt, die uns für unsere Zukunft nützen könnten – nicht zuletzt im Hinblick auf den Zusammenhalt unserer Gesellschaft in diesen und künftigen Zeiten. Menschen wie Dieter Kniffka erinnern uns daran. Unter unseren Füßen und in unseren Herzen, da schlummern eben noch viele Schätze. Und ob die einst sogenannten ›Blagen‹ es nun wissen oder nicht: Auch sie sind auf Kohle geboren. So wie Dieter Kniffka. Glückauf, Dieter! Glückauf, Zeche Minister Achenbach!

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