Lüner – alles andere als Flachland-Tiroler
Anmutiger Eislauf, knallhartes Eishockey, mutige Bobfahrer im Eiskanal – alles Spitzenklasse
Wenn Eis und Schnee kommen, werden viele Erinnerungen an Spaß und Sport im Winter aus leider vergangenen Zeiten wach. Dabei zeigt sich jedoch, dass die Lüner alles andere als Flachland-Tiroler sind. Sie standen auf Brettern und Kufen sicher, donnerten im Bob durch den Eiskanal – waren Spitzenklasse bis hin zur Weltmeisterschaft.
Eislauf
Auf dem Eis liefen sie sogar um DM- und Weltmeistertitel mit. Ingrid Vernekohl wurde als noch nicht einmal 17-Jährige mit dem Dortmunder und späteren Eislauf-Funktionär Volker Waldeck 13. im Paarlauf bei der Weltmeisterschaft in Colorado Springs. Bei der Deutschen Meisterschaft belegte das Duo den dritten Rang. Die Wintersportlerin heiratete mit Wolfgang Vernekohl einen Wintersportler. Und Tochter Jill, inzwischen 41 Jahre, begann mit fünf Lenzen mit dem Eislauf. Am Start für TSC Eintracht Dortmund, wurde sie mit Jan Luggenhölscher 1998 im Eistanz deutsche Junioren-Meisterin, 1999 elfte der Junioren-Weltmeisterschaft. Ab 2000 lief sie mit dem Esten Dimitri Kurakin auf, wurde mit diesem zweimal deutsche Vizemeisterin. Seit dem Karriereende begleitet Jill Vernekohl heute ihre Tochter Anna beim Reitsport in Asseln.
Ski-Stadtmeisterschaften im Sauerland
Vater Wolfgang war und ist auf den Skiern zu Hause. Vor 60 Jahren gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Ski-Clubs Lünen. Er arbeitete sofort im Vorstand mit, ist inzwischen 40 Jahre Vorsitzender der noch 80 Mitglieder starken Gemeinschaft. Doch etwas wehmütig blickt er zurück: »Bis vor 20 Jahren haben wir die Lüner Stadtmeisterschaften im Sauerland ausgerichtet. Dann gab es immer weniger Schnee, aber noch nicht die heute bekannten Schneekanonen. Beim Training im Sauerland bereiteten sich unsere Mitglieder auch auf die Qualifikation zu Kreis- und Bezirksmeisterschaften vor.« Geblieben sind die Vereinsfahrten, so im Januar nach Österreich – wenn dies zu Zeiten der Corona-Pandemie wieder möglich ist.
Eishockey
So grazil Eislauf und -tanz wirken, so knüppelhart geht es im Eishockey zu. In diesem schrieben die Lüner Löwen über eineinhalb Jahrzehnte Geschichte. Der Eishockeyclub Lünen 89 wurde von einem Freundeskreis um Bernd Meckeler gegründet. Nach Start in der Landesliga stieg das Team, das in Bergkamen-Weddinghofen antreten musste, sofort in die NRW-Liga und 1991 als Meister in die Regionalliga West auf. Als 1992 aus fünf zwei Regionalligen gemacht wurden, verpasste der ECL die Qualifikation. 1995 meldeten sich die Löwen als Vize der NRW-Liga zurück, schafften den Sprung in die 2. Liga Nord, der dritthöchsten Spielklasse.
Heiße Erinnerungen an eisige Zeiten
Chancenlos stieg das Team als Letzter in die NRW-Liga ab. In der Halle mit 500 Sitzplätzen, die teils von der doppelten Anzahl von Fans besucht worden sein soll, flossen die Tränen. Dafür machte der Club noch einmal bundesweit Schlagzeilen. Der Europäische Gerichtshof hatte am 15. Dezember 1995 entschieden, dass Fußballer aus EU-Staaten ohne Ablösesumme in ein anderes Mitgliedsland wechseln können und die Vereine unbegrenzt Spieler aus EU-Ländern einsetzen dürfen. Der belgische Fußballer Bosman hatte dieses Urteil bewirkt. Der ECL münzte diese Entscheidung vom Fußball ins Eishockey um, setzte nach der neuen Regel neue Spieler ein. Genug Punkte für den Klassenerhalt wurden aber trotzdem nicht eingefahren. Von 1997 bis 1999 noch Regionalligist, folgte der Absturz in die Landesliga. 2006 wurde der Spielbetrieb eingestellt, ein Jahr später der ECL aufgelöst. Beendet war damit auch der Traum von einer eigenen Eishalle auf dem Gelände der Zeche Minister Achenbach IV in Brambauer. In Erinnerung blieben Teal Fowler, auch Spieler und Trainer, der mit Adler Mannheim Deutscher Meister wurde, Igor Čillík, Torwart Thomas Franta sowie Pubikumslieblinge wie die Stürmer Sandro Cioffi, Stanly Pryl und Marco Stryland.
Bob im Eiskanal
Über zwei Jahrzehnte donnerte der Brambauer Friedhelm Heick mit dem Bob durch die Eiskanäle der Wintersporthochburgen, vor allem in Deutschland und Österreich. Der Mann, der einen Teil der Schlitten selbst konstruierte, war auch Vorsitzender des Bob- und Rodelclubs Dortmund (BRC). Ab Frühjahr 2002 gab es diesen Verein nicht mehr. »Es lag am Geld sowie am fehlenden Nachwuchs!«, blickte Heick einst zurück. Dabei fing alles mit der Jugend an. Ronny Kemper aus Hörde wurde in den 80ern deutscher Schülermeister. Johannes Schettel stand zwar im Schatten von Dauersieger Georg Hackl, feierte aber nach seiner Olympia-Teilnahme 1988 in Calgary anschließend als WM-Dritter und zweifacher deutsche Vize große Erfolge für die Heick-Truppe.
Heick, der Brambauer Bobbauer …
Als bei den Olympischen Spielen 1984 in Sarajewo die deutschen Schlitten patzten, schimpfte der Wintersportler: »Es lag mit am Material!« Dabei hatte der Bastler schon zwei Jahre vorher mit einem in Tropfenform konstruierten Bob, ähnlich denen der damaligen DDR und der Russen, auf sich aufmerksam gemacht. Verbesserungen folgten. Fahrer wie Peter Schliewer und Ulrich Hermann gewannen in den Heick-Schlitten den Sauerland-Pokal, belegten bei der Deutschen A-Meisterschaft die ersten beiden Plätze. Doch die Wintersportfunktionäre aus Deutschlands Süden wollten die Konstruktionen aus dem Kohlenpott nicht. Zum Schlittenbau war der Brambauer Bastler Heick durch Willi Silz und Siegfried ›Siggi‹ Wader, später auch Trainer der A-Jugend-Fußballer des BV Brambauer, gekommen. Das Duo hatte Heick gebeten, ihr teils mit Draht zusammengehaltenes Gefährt zu reparieren. Der Brambauer half, fand so zu der renommierten Lüner Firma Neuhäuser, die ihm auch Kufen für seine Bobs baute.
Ein kleines Stück deutscher Wiedervereinigung
Geblieben sind Erinnerungen an die Flitzer aus Lünen, die die Deutsche Meisterschaften, Europa-Pokalsiege und die Vize-Junioren-Meisterschaft durch Rolf Pieper holten. Geblieben ist für Heick auch der Blick auf die eigenen Erfolge, insbesondere bei der Europa-Meisterschaft der Senioren zusammen mit Wader, Lutz Richmann und dem schnellen Brambauer Klaus Ostermann. Ein kleines Stück deutscher Wiedervereinigung schrieb der Mann, der schätzt, über 60 Schlitten gebaut zu haben, nach dem Fall der Mauer mit. Gegen das Ansinnen der Funktionäre startete er mit dem Ostdeutschen Dieter Herzog im Zweierbob. ›BRD‹ stand dann auf Heicks Urkunde, ›DDR‹ auf der von Herzog. Nicht unerwähnt bleiben darf die Beteiligung an den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer: Heick, Michael Otto und Sebastian Silz trugen als Staffelläufer das Olympische Feuer vom Flughafen Dortmund zum Dortmunder Eisstadion.
Zum Schluss zwei Anekdoten
Klaus Ostermann: »Beim Mittelgebirgs-Pokal im Vierer starteten wir mit der Nummer eins. Kurz nach dem Start hörten wir ein Knallen. Als wir unten waren, merkten wir, dass wir unseren Michael Dokter verloren hatte. Doch weil die Zeitnahme nicht funktioniert hatte, konnten wir noch einmal starten!«
Siggi Wader: »Was heute im Bobsport läuft, ist nicht menschlich. Da freut sich keiner mehr über Platz zwei. Wir haben damals jede Platzierung akzeptiert, ja gefeiert!«
