Von Farbfeuerwerken bis ›Frost Art‹
Neues Atelierhaus bietet viel Kunst und Kurioses unter einem Dach
Hier ziehen abstrakte Farbmuster die Blicke an. Dort erzählen gemalte Motive eine recht konkrete Geschichte. Dazwischen: schwarze Totenschädel auf weißer Leinwand. Menschenköpfe mit Hasenohren. Ein Bilderpflückbaum und eine Gitarre mit einer Pestmaske auf dem ›Kopf‹. Für Liebhaber*innen von Kunst und Kuriosem ist das neue Atelierhaus eine wahre Fundgrube. »Wenn ein Bild im Krankenhaus hängt, gehen die meisten daran vorbei, weil sie mit sich selbst beschäftigt sind«, sagt Malerin Doris Behrens. »Die Menschen jedoch, die hierher zu uns kommen, interessieren sich wirklich dafür. Daher warten wir alle sehnlichst darauf, dass es mit den Ausstellungen endlich weitergeht.«
Neues Quartier ist ein renovierter Altbau
Ein Jahr lang waren die zehn Künstler*innen vom ›Atelierhaus Lünen‹ quasi heimatlos: Erst kam Corona, dann die Kündigung. Im April durften sie nun endlich die Schlüssel für das neue Quartier an der Rathenaustraße 26 entgegennehmen. »Der Bauverein hat das Gebäude bedarfsgerecht renoviert, unter anderem wurde ein robuster Werkstattboden aus Zement eingezogen«, freuen sich Jürgen Kurschinski und Ulrich Roters. Die Stadt Lünen sponserte Beleuchtung und Einrichtungsgegenstände wie Bilderrahmen, Bildträger und Podeste für Skulpturen. »Dadurch sind wir jetzt moderner ausgestattet als vorher.« Dagegen erinnert eine wunderschöne, knarrende Holztreppe noch an die Zeit, in der das Objekt als ganz normales Wohnhaus diente. »Im unteren Geschoss sind außerdem noch die alten Spalierdecken erhalten«, weiß Doris Behrens, die – lustiger Zufall – dreißig Jahre hier gelebt hat. Die Mischung aus nüchterner Funktionalität und uriger Gemütlichkeit verleiht dem Standort seinen ganz eigenen Charme.
Hasenmenschen, Trompeter und Sensenmänner
Das künstlerische Spektrum reicht von Zeichnungen und Malereien bis hin zu Plastiken und Objekten. Man findet Abstraktes und Gegenständliches, Surreales und Fotorealistisches, Großes und Kleines. Die Jazzmusiker von Doris Goldbach scheinen den Raum buchstäblich mit Klängen zu füllen – New Orleans lässt grüßen. Bei der Kollegin Ute Brüggemann kann man den schwer bepackten Esel beinahe schnauben hören. Die Zeichnungen von Jochen Mühlhaus sind vielleicht nicht im Vorbeigehen zu entschlüsseln – doch wer stehen bleibt, sieht spannende Details. Ein Hingucker der etwas anderen Art sind auch die Arbeiten von Jutta Arendes: verwunschene Gestalten, halb Mensch, halb Tier, die auf den ersten Blick wie Metallskulpturen anmuten, aber in Wirklichkeit aus Papiermaché und Draht bestehen. Fröhlich und farbenfroh geht es bei Ria Maris und Jürgen Kurschinski zu Sache. Dagegen entführt der junge Künstler Daniel Hacker mit seinen düsteren Skeletten und Sensenmännern zum ›Dia de los Muertos‹ nach Mexiko.
Kunst trotz(t) Corona
Die Auseinandersetzung mit der Corona-Pandemie ist in so manchen Werken spürbar. Im Raum von Doris Behrens entdecken wir ›Raffaels Engel‹ – in einer modernen Version mit Mundschutz. Jürgen Kurschinski hat seiner Gitarre kurzerhand die Pesthaube aufgesetzt – der Lockdown als (schwarzer) Tod für die Live-Musik? Einige Beiträge konnten bereits im Februar und März 2021 unter dem Motto ›Kunst trotz(t) Corona‹ im Foyer des Hansesaals bestaunt werden. Der ehemalige Kulturpreisträger Uwe Gegenmantel erschuf darüber hinaus im Zuge eines Stipendiums durch das NRW Ministerium für Kultur und Wissenschaft sieben ›Coronabilder‹, welche Ende August / Anfang September im Rahmen einer großen Retrospektive in der Stadtgalerie ausgestellt wurden. »Das war der Vorteil der letzten Monate«, sagt er. »Meine Malkurse sind leider ausgefallen. Dafür hatte ich mehr Ruhe zum Arbeiten.«
Schöpferisch im Schnee
Einer, der die Zeit ebenfalls schöpferisch genutzt hat, ist Ulrich Roters, Erfinder der sogenannten ›Frost Art‹. »Dahinter verbirgt sich eine Stilrichtung, die sich den Winter und seine niedrigen Temperaturen zunutze macht«, erklärt er. Das Schneetreiben im vergangenen Januar dürfte ihm hierbei zugutegekommen sein. »Ich war schon immer winteraffin, liebe Temperaturen unter Null. Eines Tages stand ich am Fenster, blickte in den Schnee und dachte, schade dass man jetzt nicht draußen arbeiten kann. So kam ich auf die Idee, eine farblich grundierte Leinwand mit Wasser zu übergießen, welches sogleich gefror. Auf die Eisschicht verspritzte ich neue Farbe, das Ganze mehrfach im Wechsel. Die Technik funktioniert ähnlich wie das Batik-Verfahren: Wo das Eis ist, dringt keine Farbe hinein. Ich bin selbst immer wieder überrascht, was dabei herauskommt.«
Ein Ort für Kreativität, Austausch und Geselligkeit
Es ist die künstlerische Vielfalt, die den Geist des Hauses ausmacht. In jedem Raum gibt es etwas zu entdecken, das man mit ziemlicher Sicherheit so noch nicht gesehen hat. Das Atelierhaus ist aber nicht nur ein kreativer Platz. »Wir wollen auch ein Ort für Austausch und Geselligkeit sein«, so Jürgen Kurschinsky. »Das waren wir schon immer, und wir hoffen, dass wir diese gute alte Tradition schon sehr bald fortsetzen und neben unseren Ausstellungen wieder viele Musikkonzerte und Lesungen veranstalten können!«
ART-boX
Kunstmesse
13./14.11 · 11–17 Uhr
Jahresausstellung 2022
›Gespür für Winter‹
09.01.–06.02. · So 14–16 Uhr
www.atelierhaus-luenen.de