Stadtmagazin Lünen: Kunst und Kultur

»Manchmal hätte ich gerne eine Zeitmaschine …«

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Interview mit Nachwuchsautorin Lotta Wiggers

Seit 2005 laden Herausgeber Artur Nickel und der Geest Verlag in Kooperation mit dem Literaturfestival ›Literatürk‹ einmal jährlich zur Teilnahme an der Essener Jugendanthologie ein. ›Auf-BRUCH in meine Zukunft‹ lautete das Thema für die Ausgabe 2020, und wie immer bewarben sich junge Autoren aus allen Teilen des Ruhrgebiets. Unter ihnen auch die zu dem Zeitpunkt erst 13-jährige Lotta Wiggers aus Lünen.

»Tja, wer bin ich?«

»Unser Lehrer hat uns immer mal wieder auf Ausschreibungen aufmerksam gemacht, aber ich hatte mich vorher nie getraut, tatsächlich etwas einzureichen«, berichtet sie. »Dann hat meine Mama mir Mut zugesprochen, und ich habe es einfach mal probiert. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass es direkt beim allerersten Versuch klappt.« Hätte Lotta damals eine Zeitmaschine zur Verfügung gehabt, sie wäre überrascht gewesen … 121 Beiträge fanden den Weg in den Sammelband, so auch ihr Text ›Meine Zukunft‹, in dem sich die Schülerin sehr reflektiert und fast schon philosophisch mit Begriffen wie Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und Identität auseinandersetzt: »Was ist mit diesem Moment? (…) Vor einer Minute wäre das doch eigentlich noch die Zukunft gewesen, oder nicht? (…) Aber wie soll ich mich nicht verlieren, wie soll ich immer ich bleiben, wenn ich nicht einmal weiß, wer ich bin? Tja, wer bin ich?«*

Von Liebe, Freundschaft und Geistermädchen

Solche Fragen hätten sie auch schon vor der Anthologie beschäftigt, verrät die Neuntklässlerin, die Reiten, Schwimmen und – nicht überraschend – Lesen zu ihren Hobbys zählt. Fantasy mag sie gern, ebenso Geschichten über die Liebe und das Leben. Einen Lieblingsautoren kann sie aber dennoch nicht nennen – da gibt es einfach zu viele. Jugendromane wie ›One of Us is Lying‹ von Karen M. McManus oder ›Ich werde fliegen‹ von Dana Czapnik reihen sich in ihrem Regal an Fantastisches wie ›Die Buchspringer‹ von Mechthild Gläser oder die ›Chroniken der Unterwelt‹-Bände von Cassandra Clare. Ob diese Werke sie auch bei ihren eigenen literarischen Texten inspirieren? »Eigentlich schreibe ich über alles, wonach mir gerade ist, was mir so im Kopf herumgeht: Freundschaft, Beziehungen, Situationen, die ich im Alltag beobachtet habe … Aber ich habe mir auch schon Gruselgeschichten ausgedacht wie die über ein kopfloses Geistermädchen, das ein anderes Mädchen verfolgt und in den Selbstmord treibt.«

Schreiben als Schulfach

An ihrem Gymnasium in Altlünen belegt Lotta das Differenzierungsfach ›Geschichte kreativ‹. Hier haben die Jugendlichen zwei Jahre Zeit, um ihren eigenen historischen Roman zu verfassen. »Meiner erzählt von einem jungen Mädchen, das in der DDR aufwächst, aber mit den Handlungen des Sozialistischen Staates nicht einverstanden ist«, verrät Lotta. »Dann lernt sie einen Jungen aus dem Westen kennen. Es geht um Liebe, aber auch darum, dass Familien getrennt werden.« Warum ausgerechnet die DDR? »Ich finde das eine ganz interessante Zeit, die noch gar nicht so weit zurückliegt. Und ich wollte unbedingt über etwas schreiben, das nicht total weit von uns entfernt ist.«

»Ich weiß es immer noch nicht«

Bislang bekamen neben dem Lehrer nur die Eltern, Großeltern und enge Freunde Lottas Texte zu lesen. Das wird sich durch die neue Jugendanthologie nun ändern. Eine aufregende Sache, nicht nur weil plötzlich Redakteurinnen des Stadtmagazins anklopfen und um ein Interview bitten. Für die wortgewandte Schülerin ging mit der Veröffentlichung ein kleiner Traum in Erfüllung. »Ich habe in den Tagen nach dem Einsendeschluss dauernd auf die Website geguckt und meine Freunde genervt«, sagt sie. »Als ich dann erfahren habe, dass ich echt dabei bin, war ich total glücklich!« Ob ihr die gedankliche Auseinandersetzung beim Verfassen des Beitrags geholfen hat, sich über ihre Fragen nach Zukunft und Identität klar zu werden? »Ehrlich gesagt, weiß ich es immer noch nicht«, antwortet sie lächelnd. Und so heißt es auch im Verlauf ihres Textes: »Vielleicht ist es das, was ich mir für die Zukunft wünsche. Herauszufinden, wer ich bin.«*

* Auszüge aus ›Meine Zukunft‹ von Lotta Wiggers. Erschienen in: ›Auf-BRUCH in meine Zukunft‹ von Artur Nickel (Hg.), Geest Verlag.

Buchtipp: ›Auf-BRUCH in meine Zukunft‹

Über hundert junge Ruhrgebietsautoren im Alter zwischen 10 und 20 Jahren haben für die neue Jugendanthologie von Herausgeber Artur Nickel einen Blick in die Zukunft gewagt. Das Thema brennt ihnen auf der Seele. Gerade auch, weil Corona ihre Zukunft im Jahr 2020 massiv in Frage gestellt hat und neue Antworten fordert. Was lässt sich vor dem Hintergrund einer solchen Bedrohung überhaupt noch zuverlässig planen? Wohin wird uns die Reise führen? In den Beiträgen, die für den Sammelband ausgewählt wurden, geht es um das, was Zukunft ausmacht: Familie, Freunde, Religion, Kultur. Es geht um uns alle, wo immer wir zu Hause sind. Dazu melden sich die Jugendlichen zu Wort. Eindringlich, offen und ehrlich. Ein großartiges Buch, das es in sich hat!

Artur Nickel (Hg.):
›Auf-BRUCH in meine Zukunft
Jugendliche aus dem Ruhrgebiet blicken nach vorn‹
Geest-Verlag
12,50 Euro

Termintipp

12.03.21 · 19 Uhr · Zoom Digital
Lesung mit jungen Autoren der Anthologie ›Auf-BRUCH in meine Zukunft‹
Zoom-Link unter: https://www.literaturgebiet.ruhr/veranstaltungen/

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