Stadtmagazin Castrop-Rauxel: Kunst und Kultur

Kunst im Spukschloss

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Zu Besuch bei Edward P.

Uraltes Mauerwerk und knarzende Holzdielen. Von großen Leinwänden starren bizarre Gestalten herab, als würden sie jeden Moment zum Leben erwachen. Aus den Boxen dringt ein düsterer Mix aus Post Punk- und New-Wave-Musik. Wir befinden uns nicht etwa in einem szenigen Underground-Klub in Berlin, sondern im hochherrschaftlichen Schloss Bladenhorst in Castrop-Rauxel. Hier hat der Wittener Maler Edward P. sein Quartier aufgeschlagen.

»In einem Geisterschloss zu arbeiten, fühlt sich inspirierend an!«

»Jeder Mann sollte in seinem Leben drei Dinge tun: ein Kind zeugen, einen Baum pflanzen – und seine Frau zur Königin auf einem Schloss machen«, scherzt der Mittfünfziger in Anspielung auf den berühmten spanischen Maler Dalí, der seiner Geliebten Gala einst die mittelalterliche Burg Púbol schenkte. »Diese Burg haben wir vor Jahren besichtigt, und ich meinte zu meiner Frau: Irgendwann kaufe ich dir sowas auch!« Das kleine Schloss-Atelier ist ein guter Anfang und der perfekte Ort, um die Muse zu entfalten – zumal es auf Bladenhorst nachweislich spukt. »Ich finde das klasse. In einem Geisterschloss zu arbeiten, fühlt sich inspirierend an!« Sohn David, der Edward P. bei Vernissagen am Mischpult unterstützt, ist ebenfalls schwer begeistert. »Und meine beiden Enkelkinder fühlen sich jetzt wie kleine Prinzessinnen.«

Zwischen Edgar Wallace und Dracula

Edward P. stammt aus dem Ruhrpott. Der Vater Stahlwerker, die Mutter Hausfrau. »Da geht man nicht einfach zu seinen Eltern und sagt: Ich will Künstler werden.« Wobei sich ein gewisses Talent früh abzeichnete. »Als ich klein war, habe ich für meine Mama Romane a la Edgar Wallace geschrieben, auf den Blättern eines Ringbuches, mit hübschen Schleifchen zusammengebunden und viel Blut vorne drauf. Schon auf der ersten Seite gab es jede Menge Tote.« Auch im Malen und Zeichnen übte er sich, und hier mangelte es dem Arbeiterkind nicht an Selbstbewusstsein: Mit zehn oder elf Jahren pauste er Dracula-Figuren aus Comicheften ab und bewarb sich damit beim us-amerikanischen Marvel-Verlag. »Sie schrieben sogar zurück: Meine Bilder wären großes Kino! Leider wäre ich zu jung, um bei ihnen anzufangen, ich sollte es in ein paar Jahren noch mal versuchen.«

»Bleib authentisch! Lass dich nicht beirren!«

Dann kamen die wilden Teenagerjahre, und andere Dinge rückten in den Vordergrund. »Man kauft sich ein Moped, macht einen auf Rocker, lernt was Bodenständiges.« Doch wie bei so vielen Künstlern vor ihm wollte seine innere Stimme keine Ruhe geben. Irgendwann beschloss Edward P., noch einmal ganz neu anzufangen. Mit einer selbst gebastelten Exposé-Mappe tingelte er von Tür zu Tür, bewarb sich um Ausstellungen. »Es war kein einfacher Weg. Aber ich habe mich nicht aufhalten lassen.« Auf den Rat seiner Frau Jutta hin schrieb er sich für ein Diplomstudium in Malerei und Grafik ein. Und plötzlich lief es besser. »Ich lernte Leute kennen, durfte ausstellen, konnte sogar erste Bilder verkaufen.« Sein Tipp für den Berufsnachwuchs: »Bleib authentisch! Lass dich nicht beirren! Und denk immer daran, aus welchem Nest du kommst!«

Was wollen uns diese Bilder vermitteln?

Mit Acryl oder Öl bringt Edward P. seine Gedanken und Gefühle auf die Leinwand. Sein Stil ist ›expressiv figurativ‹, was bedeutet, dass Personen oder Objekte subjektiv und emotional verfremdet dargestellt werden. Was wollen uns diese Bilder vermitteln? Handelt es sich bei den verschwommenen Geschöpfen um Menschen oder Tiere? Nimmt die Gestalt in der Wanne nur ein Bad – oder sehen wir eine Leiche vor uns? »Das kannste dir selber denken«, schmunzelt Edward P., der nichts verraten will und dem Betrachter die Interpretation überlässt. Ergänzt wird sein Oeuvre durch Porträts prominenter Gesichter, von David Bowie über den Kiss-Bassisten Gene Simmons bis hin zu Frankensteins Monster. »Das Schöne dabei ist, dass ich einerseits Fan sein kann, die Gesichter aber auch einen großen Wiedererkennungswert haben«, erklärt er. Ausgewählte Werke werden als Fine-Art-Drucke vervielfältigt. »Jeder soll sich Kunst leisten können!«

Kunst in der Kluterthöhle

Inzwischen hat Edward P. in großen Städten wie Berlin, Köln oder Karlsruhe ausgestellt. Auch vor ungewöhnlichen Orten scheut der Mann mit der Sonnenbrille nicht zurück: Als einziger Künstler in Deutschland präsentiert er seine Kompositionen in Höhlen, wie zuletzt in der Kluterthöhle in Ennepetal. »Ich habe mich schon immer für die Höhlenmalereien der Cro-Magnon-Menschen interessiert«, erzählt er. »Aber natürlich kann man heute nicht einfach die Felswände bemalen oder Nägel für die Befestigung von Bildern und Skulpturen in den Stein schlagen, denn Höhlen und Grotten stehen in der Regel unter Naturschutz. Als ich während Corona überall diese Plastikscheiben sah, kam mir die Idee, Motive mit Acrylfarbe auf Folien zu bringen. Mit Schwarzlicht angestrahlt, sah es tatsächlich aus wie eine echte Höhlenmalerei.«

»Vor jedem Bild, das man aufhängt, muss man die Weiße Frau um Erlaubnis bitten«

Wenn er nicht gerade an neuen Werken tüftelt, hat Edward P. viel zu tun: Er illustriert Bücher und CDs, leitet Workshops für Kinder und Erwachsene, schreibt einen Krimi oder tourt mit dem Projekt ›Sound & Art‹ durch die Lande – dahinter verbirgt sich eine Melange aus Livemalerei, Lesung und Gitarrenmusik. Außerdem nimmt sein neues Atelier mehr und mehr Formen an. »Vor jedem Bild, das man aufhängt, muss man die Weiße Frau um Erlaubnis bitten«, sagt er augenzwinkernd. Persönlich begegnet ist ihm das berühmte Schlossgespenst bisher zwar noch nicht. Aber: »Wir haben mal ein unheimliches Klopfen gehört. Und unsere antike Uhr, die stehen geblieben war, hat plötzlich wieder zu ticken angefangen.« Beste Voraussetzungen, um den kreativen Geist aus der Flasche zu lassen.

Das Atelier von Edward P. im Schloss Bladenhorst hat nur nach Terminabsprache geöffnet. Die nächste Ausstellung ›Mannequin‹ und eine Live-Painting-Show mit dem Titel ›LIPP STICK‹ sind in Vorbereitung. Weitere Infos werden online bekannt gegeben: showroom-by-atelier.edward-p.de

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