Stadtmagazin Castrop-Rauxel: In der Stadt

»Wir sind kein Ponyhof!«

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Tierheim pflegt Vierbeiner mit Charakter

Zu Gast im Tierheim Castrop-Rauxel in Deininghausen: Ein Sack Möhren lehnt an der Wand, eine Transportbox steht bereit. Es riecht nach Streichelzoo. Und da flitzt Dexter um die Ecke. Der lebhafte junge Schäferhund wirkt freundlich, man möchte ihn sofort knuddeln … Doch halt! Stopp! Genau das wollte ich eigentlich vermeiden. Denn Dexter ist kein Kuscheltier. Sondern ein Hund mit Charakter.

Mit Herz und Erfahrung

»Wir sind kein Ponyhof!«, stellen Kristina Rummeld und Alt-Bürgermeister Johannes Beisenherz vom Vorstand des Vereins Tierschutz Castrop-Rauxel e. V. klar. »Verniedlichung ist für Mensch und Tier nicht unbedingt von Vorteil, weil Verhalten von Tieren falsch interpretiert werden kann.« Natürlich lieben sie ihre Schützlinge. »Aber wenn wir sie zu herzig darstellen, verkennen die Menschen oft die Situation.« Wer als Laie einen Hund retten und bei sich aufnehmen will, sollte sich bewusst sein, dass viele der Vierbeiner schwierige Vorgeschichten haben. Dexter zum Beispiel: Er ist jung, ungestüm und alles andere als einfach im Umgang. »Anfangs war er völlig außer Rand und Band, dabei distanzlos und hat auch schon mal zugeschnappt«, erzählt Kristina Rummeld. »Mittlerweile befindet er sich auf einem guten Weg und ist für Menschen mit entsprechender Erfahrung lenkbar.

Vom ›Schnapper‹ zum Familienhund

Die 2. Vorsitzende kam 2008 durch ihren Hund Delf mit dem Tierheim in Kontakt. Der Große Münsterländer wurde damals im Fernsehen bei ›Tiere suchen ein Zuhause‹ vorgestellt, schnell vermittelt – und genauso schnell wieder zurückgeschickt, weil er sein Futter verteidigt und geschnappt hatte. Beim Tag der offenen Tür lernte Kristina Rummeld ihren Delf kennen. Schon da bahnte sich die besondere Verbindung an. »Er war bereits 7 Jahre alt und völlig unerzogen. Er ist über 15 geworden. Mit seiner Futterverteidigung konnte ich umgehen.« Komplizierter war die Sache bei Eddi, ihrem zweiten Hund, ein Kleiner Münsterländer aus dem Tierheim Castrop-Rauxel, schon 12 Jahre alt: Der Rüde zog 2011 bei Kristina Rummeld und ihrer Familie ein und entging so knapp der Euthanasie. »Eddi reagierte in verschiedenen Situationen sehr aggressiv und hatte einige auf dem Hof gebissen.  Aber die Hund-Hund-Beziehung war in Ordnung, denn mit Delf und ihm klappte es sehr gut. Also beschloss ich, es mit ihm zu versuchen. Und es funktionierte wunderbar. Er durfte glücklich alt werden.« Insgesamt fünf Heim-Hunde aus Castrop hat sie über die Jahre  adoptiert.

»Wie ein kleines Unternehmen«

Bis zu 300 Tiere aus Castrop-Rauxel, Herten und Waltrop finden im Tierheim jährlich Unterschlupf. Viele sind bei ihrer Ankunft verletzt, unterernährt, misshandelt oder chronisch krank – und blühen während ihres Aufenthaltes sichtbar auf. Sei es Katze Raya, die mit schweren Verbrennungen eintraf und jetzt liebevoll gesund gepflegt wird, Herdenschutzhund Aslan, der nach zahlreichen Enttäuschungen erst einmal wieder Vertrauen fassen muss, oder das scheue Kaninchenpaar Hotte und Henriette, das sich immer öfter neugierig aus seiner Hütte wagt. 7 Angestellte in Voll- und Teilzeit sowie 25 Ehrenamtliche kümmern sich um alles, was zu tun ist: füttern, ausmisten, instandsetzen, Gassi gehen. Hinzu kommen Hundetraining, Tierarztbesuche und Besichtigungen. »Der Trägerverein funktioniert wie ein kleines Unternehmen«, erklärt Johannes Beisenherz. »Professionalität ist das A und O, was mit einem super Team aus MitarbeiterInnen und ehrenamtlichen HelferInnen gelingt.«

»Wir wollen verhindern, dass die Tiere zurückkommen«

Fast alle Fellnasen, die im Tierheim landen, benötigen besondere Fürsorge. »Während Corona gab’s einen regelrechten Boom«, berichtet Kristina Rummeld. »Leute haben sich Hunde angeschafft, ohne sich mit der jeweiligen Rasse auszukennen, und die Hundeschulen durften nicht arbeiten. Die Folge: überforderte Familien, verhaltensauffällige Tiere, mehr Arbeit für den Tierschutz Castrop-Rauxel e. V. An sich könnten die MitstreiterInnen jede Hilfe gebrauchen. Wer einen Hund ausführen oder adoptieren möchte, sollte jedoch Zeit und Geduld mitbringen. Voraussetzung ist eine professionelle Einweisung sowie ein ausgiebiges Kennenlernen. »Uns wird oft vorgeworfen, wir wollten gar nicht vermitteln. Das Gegenteil ist der Fall! Wir wollen verhindern, dass die Tiere zurückkommen – und danach verstörter sind als vorher.«

Vom Bürgermeister zum Gassigänger

»Das sind so die Erfahrungen: nicht immer konfliktfrei, aber hochspannend«, sagt Johannes Beisenherz, der sich seit dem Ende seiner Amtszeit als Bürgermeister vor über 10 Jahren im Tierheim engagiert. »Ehe ich mich versah, war ich Beisitzer und ein halbes Jahr später 1. Vorsitzender.« Eine turbulente Zeit. »Aber das ist ja in Vereinen häufig so: Wenn es um Tiere oder Kinder geht, sind Emotionen im Spiel.« Wie die meisten seiner ehrenamtlichen Vereinskollegen ist er ein absoluter Hundenarr. »Nachdem 2013 unser Mischling gestorben war, bin ich früh morgens allein los – ganz automatisch. Irgendwann dachte ich mir: Bist du eigentlich bekloppt?«  Schon lange wird er auf seinen Spaziergängen wieder von einem Golden Retriever begleitet. Zudem ist er als ›professioneller Gassigänger‹ für das Tierheim unterwegs. 13.000 Schritte täglich sind keine Seltenheit.

Über Nacht nach Österreich

Grundsätzlich ist den TierfreundInnen kein Weg zu weit – insbesondere, wenn ein Schützling medizinische Hilfe benötigt. Je nach Fachgebiet werden Tierarztpraxen in Witten, Schwerte, Dortmund, Mengede, Essen und Duisburg angefahren. In Notfällen geht es sogar noch weiter. So geschehen im Winter 2024, als Kristina Rummeld sich kurzerhand hinters Steuer schwang und mit Hündin Blue im Gepäck über Nacht neun Stunden bis nach Österreich reiste, um den fachlichen Rat des renommierten Tiermediziners Dr. Stefan Wolf einzuholen. Er war seinerzeit in Schwerte ansässig und hatte das Tierheim lange betreut. Eine Rettungsaktion mit Happy End: Ohne das beherzte Handeln aller Beteiligten würde Blue heute nicht mehr leben.

Vermittlung auch an ältere Menschen

Im Gegensatz zu manch anderen Einrichtungen vermittelt das Tierheim in Deininghausen seine Pflegetiere auch an ältere Menschen. »Natürlich können wir jemandem in sehr hohem Alter keinen Welpen anvertrauen«, sagt Kristina Rummeld. »Aber es gibt ältere Hunde, die ein ruhiges Zuhause suchen. Sofern es für den Notfall Unterstützung im Hintergrund gibt – warum nicht?« Bei Katzen, Kaninchen und Meerschweinchen sei die Vermittlung deutlich einfacher. »Da haben wir täglich Anfragen.« So werden regelmäßig Plätze frei. Und: Es kommt auch Geld rein, das ein vereinsgeführtes Tierheim dringend benötigt. Zwar werden 60 bis 70  Prozent der laufenden Kosten  durch die Städte Castrop-Rauxel, Waltrop und Herten gedeckt, aber den Rest muss der Verein durch Spenden, Vermittlungen und Veranstaltungen selbst erwirtschaften.

Spendenkonto

Tierschutz Castrop-Rauxel e.V.
Sparkasse Vest / Recklinghausen
IBAN: DE03 4265 0150 0000 8101 43
Verwendungszweck: Spende

Weitere Infos:
www.tierheim-castrop-rauxel.de

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