Stadtmagazin Castrop-Rauxel: Gesundheit und Wellness

»Ohne Tischtennis kann ich nicht leben«

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Mit Ping Pong gegen Parkinson

Das rhythmische Klackern von Tischtennisbällen. Quietschende Gummisohlen auf dem Hallenboden. Spielspaß, Schweiß und Schmetterbälle. Eine total normale Trainingseinheit beim PSV Castrop? Nicht ganz. Neben ihrer Liebe zum Sport verbindet die AthletInnen eine schwere Erkrankung.

Als kleiner Junge zum Training eingeladen

»Tischtennis fördert die Koordination und schnelle Reaktionen«, erklärt Michael Horn, Leiter der neuen Tischtennisgruppe ›PingPongParkinson‹. »Es gibt wissenschaftliche Studien, die den Nutzen des Sports bei Parkinson belegen – und ich kann dies auch aus eigener Erfahrung bestätigen.« Der gebürtige Castrop-Rauxeler blickt auf über 20 aktive Jahre im Tischtennis zurück. Früh übte er sich als kleiner Junge an einer ausklappbaren Platte mit den Nachbarskindern. Das beobachtete eine Vereinsspielerin, die ihn zum Training einlud. Der Beginn einer leidenschaftlichen sportlichen Karriere mit Ligaspielen und Meisterschaften. »Damals habe ich wirklich gedacht: Ohne Tischtennis kann ich nicht leben.« Doch mit der Geburt der eigenen Kinder standen plötzlich ganz andere Dinge im Vordergrund. Hinzu kam ein zeitraubender Beruf. Viele Jahre lang nahm Michael Horn keinen Schläger mehr in die Hand. Dies änderte sich mit der Schreckensdiagnose Parkinson.

»Ich war ein Meister des Verdrängens«

»Es war 2014«, erinnert sich der heute 62-Jährige. »Ich stand vor der Praxis auf der Straße und verstand die Welt nicht mehr – ja, ich weigerte mich, es zu glauben.« Doch weitere Tests und Untersuchungen räumten jeden Zweifel aus. »Wie sich herausstellte, wurde der Botenstoff Dopamin in meiner linken Hirnhälfte nicht mehr produziert, daher war meine rechte Körperseite von typischen Symptomen wie Muskelsteifheit betroffen. Aber ich war ein Meister des Verdrängens und stürzte mich in die Arbeit – bis ich 2019 einen ziemlich heftigen Autounfall mit Totalschaden hatte. Zum Glück kam ich mit ein paar Schrammen davon, und ich rede mir immer noch ein, dass es nicht an meiner Krankheit lag. Dennoch war der Unfall so etwas wie ein Weckruf. Ich beantragte Erwerbsminderungsrente und ging in den vorzeitigen Ruhestand, was anfangs überhaupt nicht witzig war. Ich fühlte mich nutzlos. Jetzt liegst du dem Staat auf der Tasche, dachte ich. Daran hatte ich ein, zwei Jahre zu knabbern. Dann sah ich durch Zufall diesen Beitrag im NDR.«

Mehr als 250 Stützpunkte bundesweit

In der Sendung ging es um Tischtennis als therapeutische Maßnahme für Parkinson-PatientInnen. »Unter anderem kam ein Betroffener zu Wort, dessen Geschichte als ehemaliger Tischtennisspieler starke Parallelen zu meiner aufwies. Er beschrieb, wie er durch PPP neuen Lebensmut gefasst hatte.« Die Abkürzung PPP steht für PingPongParkinson. Was lustig klingt, hat einen hoch professionellen Hintergrund. Der 2020 gegründete Verein ist mit inzwischen 2.500 Mitgliedern und mehr als 250 Stützpunkten bundesweit vertreten. »Es gibt nationale und internationale Meisterschaften, Sponsoren und prominente Mitglieder wie Frank Elstner oder Markus Maria Profitlich«, erläutert Michael Horn, der von dem Konzept so begeistert war, dass er beschloss, einen eigenen Stützpunkt in seiner Heimat zu eröffnen. Am 5. September 2024 fand das erste Training mit zwei Spielern unter dem Dach des PSV Castrop statt.

»Dann zocken sie wie Weltmeister«

Wir wollen wissen: Wie fühlte es sich an, nach so langer Zeit wieder einen Tischtennisschläger in der Hand zu halten? »Es funktioniert, die Reflexe sind noch da«, lächelt Michael Horn. Mittlerweile ist seine Mannschaft auf 14 Personen angewachsen. Als Übungsleiter muss er auf vieles achten, das unter anderen Umständen kein Thema wäre: Welche Trainingspartner passen gut zusammen? Trinken alle genug? Wer muss wann welche Medikamente einnehmen? Und wie werden die Bälle aufgehoben, wenn sich niemand bücken kann? »Ich habe erst einmal einen mechanischen Ballsammler und 100 Trainingsbälle angeschafft.« Von diesen kleinen Herausforderungen aber abgesehen, unterscheiden sich die Einheiten kaum von einem herkömmlichen Training. Jeder hier will vor allem eines: Tischtennis spielen. Und manche entwickeln gar einen beachtlichen Ehrgeiz. »Ich habe Leute gesehen, die kaum laufen können – aber an der Platte ist alles vergessen, dann zocken sie wie Weltmeister.«

»Nimmst du andere Pillen?«

Wer neugierig geworden ist und selbst mit einer Parkinsonerkrankung kämpft, kann jederzeit zum Schnuppertraining vorbeischauen. Die Anmeldung erfolgt über den PSV Castrop. Eine Mitgliedschaft im Verband PingPongParkinson ist möglich, aber keine Voraussetzung. Die Gruppe trifft sich immer dienstags und donnerstags ab 18 Uhr in der Turnhalle der Elisabethschule. »Es macht einfach einen Riesenspaß, und wir wachsen als Truppe immer mehr zusammen«, freut sich Michael Horn. Bei den meisten TeilnehmerInnen machen sich auch die positiven Auswirkungen der körperlichen Betätigung schon deutlich bemerkbar. »Sogar mein Ergotherapeut hat sich letztens gewundert. Er fragte: Was ist mit dir los? Nimmst du andere Pillen? Ich sagte: Nein, ich spiele nur Tischtennis.«

Kontakt

Michael Horn
Tel. 01 70 / 9 82 28 34

Weitere Infos gibt es unter
www.pingpongparkinson.de
www.postcastrop.de

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