Miaue wie ein Pirat!
Seeleute auf Samtpfoten
Katzen sind stimmlich sehr wandlungsfähig – wie jeder weiß, der schon einmal das Erfolgsmusical ›Cats‹ besucht oder im Sommer auf einem Bauernhof campiert hat. Mal scheinen sie wie Werwölfe den Mond anzuheulen, dann wieder klingt es, als würde irgendwo in der Nachbarschaft eine Jungfrau geopfert. Warum also sollten sie nicht auch wie ein Pirat miauen können? Am 19. September feiern Samtpfoten auf der ganzen Welt den ›Meow-Like-a-Pirate‹-Day. Ja, diesen Tag gibt es wirklich. Und die Idee ist gar nicht so abwegig. Denn Katzen und Piraten haben mehr gemeinsam, als Sie vielleicht denken.
Kreuzfahrt ins Ungewisse
Die Suche nach einer Erklärung führt uns weit in die Vergangenheit, zurück in eine Zeit, als die Meere des Globus noch nicht komplett vermessen waren und Schiffsreisen hohe Risiken bargen. Egal ob es darum ging, ferne, unbekannte Kontinente zu entdecken, Güter ans andere Ende der Welt zu befördern oder wertvoll beladene Handelsschiffe zu kapern – eine Seefahrt war immer auch eine Kreuzfahrt ins Ungewisse. Doch die Matrosen mussten sich ihrem Schicksal nicht alleine stellen, nein, sie hatten bei allen ihren Expeditionen und Abenteuern immer ein paar treue Gefährten an ihrer Seite: die Schiffskatzen.
Glücksbringer und Geisterschutz
Der Grund war zunächst einmal ganz pragmatisch. Auf nahezu jedem Kahn reisten damals auch ›blinde Passagiere‹ mit: Mäuse und Ratten, die sich an den kostbaren Vorräten zu schaffen machten, die Takelage zerknabberten und im schlimmsten Fall gefährliche Krankheiten übertragen konnten. Hier leisteten Katzen gute Dienste: Zwischen Kajüten und Kombüse jagten sie nach den lästigen Nagern und verhinderten ihre ungehemmte Ausbreitung. Die Tiere waren für die Crew aber auch eine willkommene Abwechslung während der wochenlangen eintönigen Etappen auf hoher See. Darüber hinaus galten sie den abergläubischen Seemännern als Glücksbringer und Schutz gegen böse Geister. Doch wehe, eine Katze verließ ihr Schiff aus freien Stücken: Dann war das Gefährt dem Untergang geweiht.
Reisetauglich?
Anhand von historischen Quellen lässt sich die Bedeutung der Schiffskatzen als Mannschaftsmaskottchen und Beschützer der Seeleute gut belegen. Schon im 13. Jahrhundert erließ der schottische König Alexander II. ein Dekret, nach welchem ein gestrandetes Schiff nicht als herrenlos zu betrachten war, solange an Deck noch ein lebender Mann oder eine lebende Katze ausharrte. Laut dem mittelalterlichen ›Black Book of the Admiralty‹ mussten Schiffseigner für durch Ratten beschädigte Waren haften, wenn sie es versäumt hatten, an Bord des betroffenen Handelsschiffes Schiffskatzen mitzuführen. Auch die Portugiesen, Spanier und Franzosen schätzten die gewandten Jäger als Reisebegleiter. Jean-Baptiste Colbert, der Begründer des Merkantilismus, stellte im 17. Jahrhundert sogar die Forderung auf, dass die Anwesenheit von zwei Katzen bei Handelsfahrten vertraglich festgelegt werde – anderenfalls sei das Schiff nicht reisetauglich.
Katze über Bord!
Das Zeitalter der Aufklärung war angebrochen – dennoch hielten sich Mythen über Schiffskatzen hartnäckig in den Köpfen der Seeleute. Davon zeugen Berichte des berühmten englischen Arztes John Locke. Demnach kam es bei einer seiner Reisen zu einem Vorfall, bei dem eine Schiffskatze ins Meer fiel. Sofort wurde ein Boot mit einem halben Dutzend Männer zu ihrer Rettung ausgesandt – wegen eines über Bord gegangenen menschlichen Besatzungsmitgliedes hätte man laut Locke weniger Aufhebens gemacht. Die Matrosen waren jedoch überzeugt, dass eine zornige Katze in der Lage sei, einen Sturm heraufzubeschwören, was es unbedingt zu verhindern galt.
Bester Freund des Matrosen
Von der Mayflower bis hin zu den Schiffen unter James Cook: Bei nahezu allen großen Expeditionen der Geschichte waren Schiffskatzen an Bord vertreten und entdeckten zusammen mit den Menschen die weite Welt. Noch bis in die 1970er-Jahre schipperten sie auf Kriegs- und Handelsschiffen über die Ozeane. Heute bleibt es dem Kapitän überlassen, ob er einem Passagier auf vier Pfoten Zutritt gewährt. An böse Geister glaubt inzwischen niemand mehr. Zum Schutz vor unerwünschten Nagetieren gibt es professionelle Rattenbleche. Als bester Freund des Matrosen ist die Schiffskatze jedoch nach wie vor ein beliebter Reisekamerad. Ob sie in mondhellen Nächten auf hoher See Piratenlieder singt? Wir wissen es nicht. Aber wir trauen es ihr zu.
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