Stadtmagazin Castrop-Rauxel: Nachhaltigkeit

Unterwegs mit dem Förster

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»Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen«

Die Luft ist feucht und frisch an diesem durchwachsenen Frühlingstag in dem kleinen Waldgebiet an der Victorstraße in Bladenhorst. Regen tröpfelt von den Blättern, wenn der Wind durch die Wipfel rauscht. »Die meisten Menschen denken, dass wir Förster ständig draußen im Wald sind«, sagt Matthias Klar, der beim Regionalverband Ruhr (RVR) rund 2.470 Hektar Waldfläche betreut. »Die Zeiten, in denen man jedes Reh beim Namen kannte, sind aber leider vorbei. 70 Prozent meiner Arbeit spielt sich heute am Schreibtisch ab. Dass man hier mal auf einem Baumstumpf sitzt und die Natur auf sich wirken lässt, ist dagegen die absolute Ausnahme.«

»Ich hatte nie einen anderen Berufswunsch«

Die Liebe zur Natur wurde dem Diplom-Ingenieur für Forstwirtschaft quasi in die Wiege gelegt. Mit seinem Vater, der ebenfalls Förster war, durchstreifte er schon als kleiner Junge die Wälder des Münsterlandes. Damals lernte er bereits die goldene Regel der Waldpflege kennen: ›früh, oft & mäßig‹. »Das bedeutet, den Bestand nach dieser Regel zu pflegen und zu durchforsten, den Wald immer im Blick zu haben und möglichst keine allzu starken Eingriffe vorzunehmen.« 1985 schloss Matthias Klar sein Studium der Forstwirtschaft in Göttingen ab. 1987 absolvierte er die Inspektorenprüfung für den öffentlichen Dienst. Seit 1998 ist er beim RVR für das ›Revier Mitte‹ mit den RVR-Wäldern auf den Stadtgebieten Gelsenkirchen, Herten, Herne, Bochum, Gladbeck, Essen und Castrop-Rauxel zuständig. »Ich hatte nie einen anderen Berufswunsch«, sagt er.

Heimische Wälder: klein, aber wertvoll!

Mit insgesamt 18.000 Hektar Wald- und Freiflächen gehört der RVR zu den größten kommunalen Waldbesitzern deutschlandweit. 360 Hektar davon befinden sich auf Castrop-Rauxeler Stadtgebiet. Sie teilen sich auf in die Forstorte Beerenbruch, Bladenhorst, Grutholz, Halde Schwerin und Langenloh. »Diese Gebiete sind im Verhältnis zu anderen RVR-Flächen wie der Haard oder die Kircheller Heide zwar eher klein, für das Klima und den Luftaustausch innerhalb der Stadt aber trotzdem sehr wichtig und wertvoll«, so Matthias Klar. »Zumeist handelt es sich um gut erschlossene Parkwaldungen, dazu kommen einige sumpfige Naturflächen. Sie alle zeichnen sich dadurch aus, dass sie vor allem der Naherholung und dem Naturschutz dienen und die Interessen der Forstwirtschaft hintenangestellt werden.« Letzteres, erfahren wir, sei keineswegs selbstverständlich. »Bei anderen Städten, vor allem im ländlichen Raum, in denen der Wald eine wichtige finanzielle Aufgabe im Stadthaushalt hat, geht die Forstwirtschaft oftmals voran, während Naturschutz und Naherholung im Kielwasser der Waldbewirtschaftung eher nebenbei passieren. Hier ist es genau umgekehrt.«

Durch Bombensplitter zum Naturschutz

Die Gründe für diese lokale Besonderheit reichen weit zurück in die Vergangenheit, bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Castrop-Rauxel stand damals unter starkem Beschuss. »Viele Altholzbuchen, die 120 und mehr Jahre auf dem Buckel haben, sind voll mit Bombensplittern und für eine Weiterverwertung im Bau- oder Möbelgewerbe nicht nutzbar«, erklärt Matthias Klar. 2014 sorgte Sturm Ela für zusätzliche Verluste. Was den Orkan überlebte, wurde durch die extreme Trockenheit in den Jahren 2018 und 2021 dahingerafft. Rund 20 Hektar Wald hat der RVR seitdem wieder aufgeforstet, unter anderem gesponsert durch das ›1 Million Bäume‹-Projekt im Rahmen von ›60 Jahre BAUHAUS‹. Anstelle von schnell wachsenden Nadelhölzern entschied man sich für ­robuste heimische Laubbäume: Flatterulme, Hainbuche, Rotbuche, Stieleiche, Trauben­eiche, Winterlinde und Vogelkirsche sind die Arten, die dem Klimawandel im Verbund eher standhalten sollen und dem Wald sein buntes Aussehen geben.

»Einen alten Baum verpflanzt man nicht«

»Ziel ist ein artenreicher, gesunder, altersmäßig durchmischter Laubwald«, erklärt Matthias Klar. »Es ist wie bei uns Menschen: Ältere kommen mit Veränderungen nicht so gut klar. Daher stammt ja auch der Spruch: ›Einen alten Baum verpflanzt man nicht‹. Jüngere können sich hingegen noch gut an die neuen klimatischen Bedingungen anpassen. Darüber hinaus hat jede Baumart ihre eigenen Vorlieben: Eiche und Vogelkirsche brauchen beispielsweise viel Licht, während eine Buche 25 Jahre im Schatten von älteren Bäumen stehen kann. Die Traubeneiche bevorzugt trockene Standorte. Und die an Mangroven erinnernde Flatterulme gedeiht auf staunassen Böden wunderbar. Wenn dann eine Baumart durch extremes Wetter oder auch Schädlingsbefall ausfällt, übernimmt eine andere deren Platz, um die Lücke zu schließen.«

Auf der Pirsch

Wo junge Bäumchen aus der Erde sprießen, sind Rehe oft nicht weit. Die Jagd gehört ebenfalls zum Verantwortungsbereich von Matthias Klar. »Rechnet man den Kaufpreis und die Ausgaben für Bodenvorbereitung und Pflanzung zusammen, kostet jede neue Kulturpflanze im Schnitt 5 Euro. Bei 5.000 Pflanzen pro Hektar kommen so ganz schöne Summen zusammen. Wenn dann so ein Böckchen vorbeispaziert und die oberste Knospe frisst oder sein Revier markiert, indem es die Rinde mit seinem Gehörn abschabt, ist das natürlich sehr ärgerlich. Wir müssen also aufpassen.« In Castrop-Rauxel sind die Jagdreviere des RVR an externe Jäger*innen oder innerhalb von Jagdgenossenschaften verpachtet. Im Emscherbruch von Gelsenkirchen und im Schlosswald Herten gehen Matthias Klar und sein Hund Asko auch schon mal selbst auf die Pirsch. »Das gehört dazu. Wir konzentrieren uns schwerpunktmäßig auf die Anpflanzungen von sogenannten Schadflächen. In den anderen Bereichen dagegen ruht die Jagd auf Rehe mehr oder weniger. Der größte Anteil von Rehen wird aber von Jagdgästen erlegt.«

»Ich bin Optimist«

Von den Lebensgewohnheiten der heimischen Fauna bis hin zu Bodenbeschaffenheit, Temperatur, Niederschlag, Schatten und Licht: Die Natur des Waldes ist ein komplexes Geflecht, in dem unzählige Faktoren ineinandergreifen und kleinste Veränderungen das gesamte System aus dem Gleichgewicht bringen können. Im Idealfall – wenn der Förster gute Arbeit leistet und ihm kein neues Extremwetterereignis in die Quere kommt – kann sich die nächste Waldgeneration auf natürliche Weise entwickeln. Ein Kraftakt – aber nicht unmöglich, glaubt Matthias Klar. »Es gibt genügend positive Beispiele und Ansätze in den Waldungen von Castrop-Rauxel. Als Förster denken wir in anderen Zeiträumen. Es wird nicht leichter. Aber ich bin Optimist und halte es wie Martin Luther. Der soll einst gesagt haben: Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.«

Benimmregeln für den Wald

Im Wald sind wir Menschen nur zu Gast. Insbesondere in der von April bis August andauernden Brut- und Nistzeit sollten wir daher zum Schutz der Flora und Fauna einige Regeln befolgen.

Die wichtigste lautet, nicht quer durch das Unterholz zu stiefeln, sondern die Natur vom Weg aus zu genießen. Hunde sollten möglichst angeleint bleiben, auch aus Rücksicht auf andere Spaziergänger*innen.

Überdies gilt vom 1. März bis zum 31. Oktober im gesamten Wald Rauchverbot. Denn bei Trockenheit genügt ein Funke, um einen Waldbrand auszulosen.

Wer im Freien picknickt, sollte daran denken, seinen Müll zu entsorgen – oder diesen mit nach Hause zu nehmen, wenn gerade einmal kein Abfalleimer in der Nähe ist.

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