»Jeder hat das Recht auf Wind in den Haaren«
Radeln mit dem ADFC
Es ist diesig und ziemlich frisch, als wir uns mit Lothar Widlitzki zum Interview im Café treffen. Eigentlich kein Fahrradfahrwetter. Davon lässt sich der sportliche Mittsechziger aber kaum beeindrucken. Er erscheint – wie es sich für ein Mitglied des ADFC gehört – mit dem Rad.
Auspowern und abschalten
4.000 bis 6.000 Kilometer legt der Sprecher der Castrop-Rauxeler Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs pro Jahr im Sattel zurück: mit dem Rennrad auf Mallorca, bei Trekkingfahrten mit seiner Frau oder bei den zahlreichen offenen Touren, die der Club in Castrop-Rauxel und Umgebung organisiert. »Man ist in Bewegung, und man ist draußen, kann sich auspowern und dabei sehr gut abschalten«, schwärmt er. »Würde ich im Urlaub am Strand liegen, bräuchte ich eine Woche, um den Kopf freizukriegen. Auf dem Fahrrad passiert das sofort. Am Ende des Tages genießt man die gesunde Erschöpfung. Wobei ich inzwischen auch das gemütliche Radeln für mich entdecke und dafür umso mehr von der Landschaft habe.«
Wenn Radwege plötzlich im Nichts enden
Früher pendelte Lothar Widlitzki zeitweise mit dem Bike zum Arbeitsplatz. Seit 2019 engagiert er sich beim ADFC für die Belange der Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer. Dabei geht es ihm und seinen Mitstreiter*innen ausdrücklich nicht nur um die sogenannten Freizeitfahrer*innen, sondern auch um diejenigen, die das Rad in der Stadt als praktisches Fortbewegungsmittel nutzen. »Es gibt hier in der Gegend viele tolle Ausflugsstrecken entlang des Kanals oder auf alten Bahntrassen. Innerhalb der Stadt muss dagegen noch einiges geschehen. Die Radstreifen sind oft nicht durchgängig, führen über Gehsteige und Fußgängerampeln zurück auf die Straße oder enden plötzlich im Nichts. Als Verein stehen wir mit der Verwaltung der Stadt in einem ständigen Austausch. Wir werben für einen besseren Ausbau der Radwege und weisen auf kritische Stellen und Unfallschwerpunkte hin.«
Hoffnung für die Zukunft
Auf dem Weg zu mehr Fahrrad- und Fußgängerfreundlichkeit hat die Stadt Castrop-Rauxel bereits im Jahr 2021 ein neues Nahmobilitätskonzept verabschiedet. Einige Maßnahmen wurden mittlerweile umgesetzt. Anderes – wie etwa die geplante Fahrradspur auf dem Altstadtring – steht noch aus. »Ein häufiger Verzögerungsgrund ist, dass es neben den kommunalen Straßen auch noch Kreisstraßen, Landesstraßen und Bundestraßen gibt«, erklärt Lothar Widlitzki. »Die Stadtverwaltung kann jedoch nur bei den kommunalen Straßen unabhängig entscheiden. Außerdem ist es natürlich nicht immer leicht, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen.« Immerhin: Es gibt Hoffnung und viele gute Ideen für die Zukunft. »Mein Ansatz ist, die Verkehrswende nicht gegen die Autofahrer umzusetzen, sondern gemeinsam mit ihnen. Wenn wie an der Bochumer Straße ein Radweg unerwünscht ist, weil der Seitenstreifen für Parkplätze gebraucht wird: Warum macht man auf der Strecke nicht wenigstens Tempo 30? Das würde schon helfen und die Sicherheit erhöhen.«
Fahrrad-Demo für kleine Leute
Apropos Sicherheit: Neben Radtouren für jedermann bietet der ADFC auch Fahrradtrainings speziell für Schulkinder und Senior*innen an. »Es gibt zwei zentrale Voraussetzungen für unfallfreies Fahren: eine funktionierende Infrastruktur und Routine des Einzelnen«, weiß der Vereinssprecher und Tour-Guide. »Letzteres gilt auch für ältere Menschen, die sich ein Pedelec zulegen und dann oft ihre Geschwindigkeit unterschätzen.« Um für mehr Kinderfreundlichkeit auf den Straßen zu werben, veranstaltet der Club am 5. Mai die zweite ›Kidical Mass‹, eine Fahrrad-Demo für kleine Leute. Der Korso startet am Europaplatz und führt in einer acht Kilometer langen Schleife zum Hallenbad. »Bei der Premiere im letzten Jahr hatten wir 180 Teilnehmende. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Familien und Radfahrende können einfach mitmachen, egal ob mit dem Fahrrad, Dreirad oder Cargobike.«
Tagestouren und Rikscha-Ausflüge
Hobbyradler*innen, die es eher ins Grüne zieht, sollten die Feierabendtouren (bis 25 Kilometer) und Tagestouren (bis 80 Kilometer) des ADFC nicht verpassen. »Man kann von Castrop-Rauxel bis nach Bochum zur Jahrhunderthalle oder ins Münsterland fahren«, verrät Lothar Widlitzki. »Wir zeigen den Menschen diese schönen, teils unbekannten Routen und stellen die GPX-Daten zum Nachfahren auf unsere Website.« Doch nicht jeder ist mobil genug, um sich über Kilometer im Sattel zu halten. Nach dem Vorbild des internationalen Projektes ›Radeln ohne Alter‹ hat der Verein deshalb in Zusammenarbeit mit der AWO eine Rikscha angeschafft. »Bei schönem Wetter bieten unsere Ehrenamtlichen für die Senioren des Wilhelm-Kauermann-Zentrums zweimal pro Woche bis zu vier Touren mit der Rikscha an. Gerne würden wir das Angebot für alle Senioren in Castrop-Rauxel öffnen.« Er lächelt. »Jeder hat das Recht auf Wind in den Haaren!«
Tagestouren des ADFC
06.04.24 · ›Rund um Herne‹
20.04.24 · ›Halde Rheinelbe mit Himmelstreppe‹
01.05.24 · ›Holzkohlenmeiler Flaesheim‹
09.05.24 · ›Vattatagstour mal anders‹
›Kidical Mass‹
05.05.24 · 15 Uhr · Europaplatz