Stadtmagazin Castrop-Rauxel: In der Stadt

Wenn Filz härter ist als Beton

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Im Ickerner Volkspark betreibt der Bahnengolfsportverein Castrop seit über 30 Jahren seine Minigolfanlage. Kurz nach dem Start in die Saison waren wir vor Ort und erhielten eine exklusive Führung über den Platz sowie eine Einführung in eine möglicherweise unterschätzte Sportart.

Entschleunigte Atmosphäre

Als wir an diesem Tag der Ostervorwoche den Platz besuchen, kann man in der Sonne schon ohne Jacke herumlaufen. Es herrschen recht warme Temperaturen am Parkbad Nord, und die Sonne strahlt zwischendurch erfolgreich gegen heranziehende Regenwolken an. Von der Recklinghauser Straße aus sind die 18 Eternit-Bahnen, auf denen mit möglichst wenigen Schlägen eingelocht werden soll, nicht direkt einzusehen; ein Stabmattenzaun mit Windschutz versperrt die Sicht. Trotzdem ist der Ort, an dem sogar Spiele der 2. Bundesliga ausgetragen werden, leicht zu finden. Ein gelb-blaues Hinweisschild weist den Weg zu zwei flachen, mit buntem Graffiti verzierten Gebäuden, zwischen denen man hindurchschreitet, um die Anlage zu betreten. Hinter dem Tor duftet es nach frisch gekochtem Kaffee, der Kiosk ist geöffnet, und es empfängt uns Pressewart Michael Reitemeier. Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen auf der Sonnenterrasse ein. Man möchte sich dort erst einmal niederlassen, um die entschleunigte Atmosphäre zu genießen. Diese hat nicht zuletzt wohl damit zu tun, dass es hier im Wesentlichen um Präzision, Konzentration und Koordination geht und nicht um Kraft, Geschwindigkeit, Körpereinsatz und Ausdauer wie auf dem danebengelegenen Bolzplatz.

Jahrzehntelange Geschichte

Den Sportverein gibt es schon länger als diese Anlage, er wurde bereits vor 62 Jahren gegründet, im Jahr 1961. Der ursprüngliche Spielort musste 1990 dem Bau der Autobahn A42 weichen – soweit die vereinsinterne Überlieferung. Kaum länger als den Verein gibt es Minigolf als Freizeit- und Wettkampfsport, der auf genormten Bahnsystemen betrieben wird. In der heutigen Form beruht die Disziplin im Wesentlichen auf der Erfindung eines Schweizers, die im Jahr 1953 als Patent Nr. 293720 in das Patentregister der Schweiz eingetragen wurde. Aus der ursprünglichen Variante wurden im Laufe der Zeit die unterschiedlichen Systeme entwickelt, auf denen heutzutage der Sportbetrieb stattfindet. »Beim Minigolf gibt es alles!«, erklärt unser Gastgeber weiter. »Nicht nur Bezirks- und Bundesligen, in denen unsere Mannschaften spielen, sondern auch eine Champions-League, einen Nations-Cup und Weltmeisterschaften. In meinem früheren Verein in Wanne-Eickel war ich in den vergangenen Jahren daran beteiligt, den Nations-Cup und die Senioren-WM auszurichten. In Wanne-Eickel befindet sich auch ein Leistungsstützpunkt des Deutschen Minigolf-Verbandes, den ich immer noch leite.«

Bahnsysteme, Bälle und Wollsocken

Neben dem System ›Eternit‹, das hier auf dem Platz des BGSV Castrop verwendet wird, gibt es u. a. auch die Systeme ›Beton‹ und ›Filz‹, erklärt uns Michael Reitemeier. »Die Bahnen beim ›Eternit-System‹ sind ungefähr 6 Meter lang, bei ›Beton‹ 12 und im System ›Filz‹ sogar 18 Meter.« Dementsprechend sind die Bälle unterschiedlich weit und stark zu schlagen. Und nicht nur spezielle Schläger verwenden die Minigolf-Athlet*innen bei ihren Wettkämpfen, Schläger in L-Form statt in T-Form und mit spezieller Gummierung an der Schlagseite. Auch auf die Bälle kommt es an. »Zusammen mit meiner Tochter Lea, die ebenfalls in der 1. Mannschaft spielt, besitze ich ungefähr 400 unterschiedliche Bälle. Zu den Wettkämpfen reisen Nationalmannschaften zum Teil auch mit 1.000 verschiedenen Bällen an. Diese unterscheiden sich in Härte, Oberfläche und Gewicht. Und so wie im Motorsport Reifen auf eine bestimmte Temperatur vorgeheizt werden, temperieren Minigolfer*innen ihre Bälle mit verschiedenen Methoden. Von Wollsocken in Hosentaschen bis zu speziellen Wärmeschränken neben der Bahn ist da alles möglich.« Abhängig von Bahnsystem, Beschaffenheit der Bahn, Außentemperatur und davon, ob die Bahn nass oder trocken ist, werden unterschiedliche Bälle eingesetzt. Einen Vorgeschmack darauf erhalten auch die sogenannten Publikumsspieler auf der Anlage, die für das Spiel nicht nur Schläger, Stift und Punkteblatt ausleihen, sondern auch vier unterschiedliche Bälle mit einer Anleitung und Ball-Empfehlung zu jeder einzelnen Bahn.

Saisonstart

Dass es gerade bei Wettkämpfen nicht nur auf eine gute technische Ausstattung und Geschick, sondern auch auf Erfahrung, Übung und Glück ankommt, das erlebte die 1. Mannschaft bei ihrem Saisonstart am ersten Aprilwochenende. Den Spieltag trug sie in Wanne-Eickel aus, auf dem Platz des vormaligen Vereins von Michael Reitemeier. Dort wurde der Wettkampf auf Bahnen des Systems ›Filz‹ ausgetragen, das für die Spieler*innen aus Castrop nicht nur deshalb anspruchsvoll war, weil sie es selten bespielen, sondern auch, weil das vorhergehende Trainingswochenende regenbedingt ausfallen musste. So landete die 1. Mannschaft dort auf dem 5. Platz. Dagegen hatte die 2. Mannschaft bei ihrem ersten Spieltag in Bochum auf dem System ›Beton‹ mehr Glück und konnte mit einem guten 3. Platz nach Hause fahren.

Einstieg in den Sport

Eine ausgewiesene Jugendabteilung oder -mannschaft, die am Spielbetrieb teilnimmt, hat der Verein zurzeit nicht. »Ich empfehle immer, den Sport ernsthaft erst im Alter von 8 bis 10 Jahren zu beginnen. Erfahrungsgemäß haben viele Kinder dann die kog­nitive Reife und das notwendige Koordinationsvermögen zwischen Hand und Augen.« Ein Einstieg ist allerdings in jedem Alter möglich, wie das mit 81 Lebensjahren älteste Mitglied des Vereins beweist. »Herbert Thomas ist tatsächlich erst 8 Jahre im Verein, spielt aber als Aktiver in der 2. Mannschaft mit, in der Bezirksliga«, erklärt der Pressewart. Um jüngere Menschen für die Sportart zu begeistern, trifft der Club eine Reihe von Maßnahmen. Diese beginnen bei Leih-Schlägern, die es hier, anders als in anderen Anlagen, auch in einer verkürzten Kindergröße gibt. Sie setzen sich in der Möglichkeit fort, Kindergeburtstage auf der Anlage auszurichten. Kiosk und Toilettenanlage können dabei mit genutzt werden. Und nicht zuletzt gibt es eine Kooperation mit der Offenen Ganztagsschule der nahegelegenen ›Grundschule am Busch‹, die regelmäßig junge Menschen zu den 18 Bahnen bringt. Neben einer aktiven Mitgliedschaft, bei der man als Spieler*in in einer der Wettbewerbsmannschaften geführt wird, kann man alternativ auch eine passive Mitgliedschaft wählen, die dazu berechtigt, den Platz kostenlos zu bespielen.

Veranstaltungsort für Groß und Klein

Nicht nur für Kindergeburtstage und kleinere Feiern kann die Anlage angemietet werden. Der Verein ist auch offen für Betriebsfeiern und ähnliche Events. Und der Spielort bietet über die Eternit-Bahnen hinaus auch andere Highlights, etwa einen Miniatur-Leuchtturm, ein Vogelhaus in den Vereinsfarben und Grünflächen mit zahlreichen Sitzgelegenheiten zwischen den Bahnen. Das alles wird von Mitgliedern wie Norbert Wehling, Sascha Arendt und Uli Gottwald gepflegt, die sich zusammen mit ihrem ›Ältesten‹ und dem Pressewart unter einem großen Nadelbaum zu einem Gruppenfoto einfinden.

Träumen sollte man davon nicht

Zum Abschluss seiner Platzführung fragen wir unseren temporären Minigolflehrer, ob er nachts von dem Sport und verschlagenen Bällen träumen würde. »Wenn das so wäre, dann würde ich aufhören!«, lautet seine augenzwinkernde Antwort. Einen Traum hat er aber doch. »Dass Minigolf zu einer Demonstrationssportart bei Olympia wird, wie einst das Snowboardfahren.« Thea (4), die uns an dem Nachmittag geduldig begleitet hat, konnte sich am Ende sehr verdient ein Eis erspielen. Wir danken für einen interessanten Nachmittag.

Marcus Dittrich

Minigolfanlage am Parkbad Nord

Recklinghauser Straße 240, 44581 Castrop-Rauxel
Die Website wird derzeit neu gestaltet. Die bisherige Website ist unter der ­folgenden Adresse erreichbar: https://bgsvcastrop.jimdofree.com/

Termine:

18. Mai: 1. Heimspiel im DMV-Pokal, Beginn: 9 Uhr.
11. Juni: Heimspieltag der 1. Mannschaft, 2. Bundesliga, Beginn: 9 Uhr.
18. Juni: Infostand zum Thema Gleichstellung, Inklusion und ›Prävention Sexualisierte Belästigung und Gewalt‹ beim Freibadfest am Parkbad Nord.
6. August: Jedermannturnier im Rahmen der ›Minigolf Weeks‹.

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