Stadtmagazin Castrop-Rauxel: Dies und Das

Ein Jahr voller Turbulenzen

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Im Gespräch mit Energieberaterin Petra Kerstan

Ukrainekrieg, Energiekrise, Strompreisexplosion: Petra Kerstan, die neue Energieberaterin der Verbraucherzentrale NRW in Castrop-Rauxel, blickt auf ein erstes Jahr voller Turbulenzen zurück.

»Der Ansturm war kaum zu bewältigen«

»Ich hatte die Stelle im Oktober 2021 angetreten und mich kaum eingewöhnt, da stiegen die Gaspreise durch die wachsende Nachfrage in Folge der Coronapandemie und der Diskussion um Nord Stream 2«, berichtet die 57-jährige Recklinghäuserin. »Verschärft wurde die Situation dann durch den Ukrainekrieg. Kurz darauf startete das Förderprogramm für Photovoltaik in Castrop-Rauxel, was den Informationsbedarf zusätzlich anheizte. Neben den vielen Bürgerinnen und Bürgern, die sich Sorgen um ihre Stromrechnung machten, kamen vermehrt Menschen, die sich für erneuerbare Energien und Wärmepumpen interessierten. Der Ansturm war kaum zu bewältigen, weshalb wir ergänzende Onlineformate ins Leben riefen wie ›Energie kompakt‹ – tägliche kostenlose Kurzvorträge zu brisanten Themen mit anschließender Fragerunde.«

Altbausanierung: »Was ist mit Blick auf die Zukunft energetisch sinnvoll?«

Petra Kerstan ist studierte Architektin und Gebäudeenergieberaterin. Als solche ist sie bereits seit 2008 auf Honorarbasis für die Verbraucherzentrale NRW im Einsatz. »Bemühungen zum Energiesparen und für mehr Klimaschutz sind keine neue Erfindung. Diese Themen waren schon immer relevant und oft Bedingung, um Fördermittel zu beantragen. Die fachliche Herausforderung dabei ist, individuelle Fragestellungen in ihrem Gesamtzusammenhang vor dem Hintergrund des jeweiligen Gebäudes zu betrachten. Beispiel: Sie haben ein Haus geerbt, können aber keine Komplettsanierung stemmen. Außerdem ist das Baby unterwegs. Also beschließen Sie, sich auf das Notwendigste zu beschränken und erst einmal die oberste Geschossdecke zu dämmen und nicht die schrägen Dachflächen. Eine eher kleine Maßnahme, die jedoch ganzheitlich gedacht werden muss. Vielleicht soll der Dachboden ja irgendwann zum Kinderzimmer ausgebaut werden? Hier gilt es abzuwägen: Was gibt das Budget her? Und was ist mit Blick auf die Zukunft energetisch sinnvoll?«

Hoher Verbrauch: »Woran liegt es, und wie kann ich es verhindern?«

Das kostenfreie, neutrale Informationsangebot der Verbraucherzentrale in Castrop-Rauxel richtet sich aber natürlich nicht nur an Hauseigentümer*innen, sondern auch an Mieter*innen, die angesichts der Krise mit einfachen Mitteln Kosten sparen möchten. Nach Terminvereinbarung können sie sich telefonisch, per Videokonferenz oder vor Ort in der Mühlengasse beraten lassen. »Viele Menschen haben derzeit nur die Preissteigerungen im Blick – vielleicht ist aber auch der eigene Verbrauch gestiegen«, so Petra Kerstan. Ihr Tipp: »Über die Seite www.stromspiegel.de können Sie sich anhand von Kriterien wie Größe der Wohnung oder Personen im Haushalt in eine Verbrauchsklasse einstufen. Ist der tatsächliche Verbrauch deutlich höher, stellt sich die Frage: Woran liegt es, und wie kann ich es verhindern?« Zweitens rät sie den Verbraucher*innen, den eigenen Zählerstand im Auge zu behalten. »Verschaffen Sie sich eine Übersicht über die verschiedenen Verbrauchszeiträume, etwa im Homeoffice, in der Nacht oder am Wochenende. Welche elektrischen Geräte sind in diesen Zeiten in Betrieb oder auf Standby? Daraus lassen sich wiederum Einsparmöglichkeiten ableiten.«

Heizen: »Geringe Raumtemperatur kann Schimmel begünstigen«

Ein weiteres Thema mit viel Diskussionsbedarf ist in den kälteren Monaten das Heizen. Faustregeln wie ›Ein Grad weniger spart sechs Prozent Energie‹ sind aus Sicht der Energieexpertin nur bedingt alltagstauglich. »Zum einen ist Kälteempfinden immer relativ. Eine Temperatur, die in einer gut gedämmten Wohnung als angenehm empfunden wird, kann in einem Altbau schon zu niedrig sein, vor allem wenn man beispielsweise im Homeoffice am Schreibtisch sitzt. Darüber hinaus kann eine zu geringe Raumtemperatur Schimmel begünstigen. Anstatt die Heizung im Wohnzimmer voll aufzudrehen und das Schlafzimmer auskühlen zu lassen, sollte man lieber die gesamte Wohnung durchgängig auf neunzehn Grad bringen. Wichtig ist, dass Heizkörper nicht durch Möbel oder Vorhänge verdeckt werden, damit sie ihre Wärme ungehindert in den Raum abgeben können. Auch der Thermostatkopf sollte freiliegen.«

Lüften: »Kurz, aber kräftig«

Um Schimmelbefall vorzubeugen, sollten Mieter*innen und Hausbesitzer*innen auch ihr Lüftungsverhalten unter die Lupe nehmen. Kurz, aber kräftig, lautet die Devise – alle zwei bis drei Stunden für drei bis fünf Minuten Stoßlüften ist optimal. »Das Fenster nicht auf Kipp stellen, sonst kühlen die Bauteile aus«, warnt Petra Kerstan. »Nach dem Duschen sollte nicht in den Nachbarraum, sondern immer durch das Fenster nach draußen gelüftet werden – selbst wenn es draußen regnet. Die Tür sollte dabei möglichst geschlossen bleiben.« Sie erklärt: »Wärme bewegt sich immer von der warmen zur kalten Seite. Zieht die warme, feuchte Luft nach dem Duschen in die Wohnräume, schlägt sich das Kondensat an den Wänden nieder, was einen Nährboden für Schimmel liefert.«

»Wir wollen rechtzeitig helfen«

Wer mehr über Themen wie Stromsparen, richtiges Heizen und Lüften, Heizungstausch, Altbausanierung, erneuerbare Energien und Fördermittel erfahren möchte, kann über die Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW in Castrop-Rauxel einen individuellen Gesprächstermin mit Energieberaterin Petra Kerstan vereinbaren. Das kostenfreie Angebot gilt auch für Gruppen. In Kooperation mit der VHS Castrop-Rauxel veranstaltet die Verbraucherzentrale darüber hinaus Vorträge und Seminare zum kleinen Preis. Hinsichtlich des turbulenten letzten Jahres wünscht sich Petra Kerstan für 2023 vor allem eines: »Dass wir mehr Mieterinnen und Mieter erreichen – je eher desto besser. Wir wollen rechtzeitig helfen – nicht erst, wenn die nächste hohe Stromrechnung ins Haus flattert.«

Infos & Termine

Energieberatung Castrop-Rauxel
Verbraucherzentrale NRW e. V.
Mühlengasse 4 · 44575 Castrop-Rauxel
Tel. 0 23 05 / 6 98 79 05
castrop-rauxel.energie [at] verbraucherzentrale.nrw
www.verbraucherzentrale.nrw/castroprauxel

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