Kleine Nager mit großem Herzen
Zu Besuch bei Annie und ihren Meerschweinchen
Sie sind einfach nur putzig, mit ihren farbenfrohen Schattierungen ein echter Hingucker und gehören nicht ohne Grund zu den ältesten und beliebtesten Haustieren: Meerschweinchen. Allerdings wissen viele Menschen nicht, wie sie die kleinen Nager möglichst optimal halten. »Das stimmt leider«, bedauert Andrea Rumpelt aka Annie. »Es sind diesbezüglich völlig falsche Informationen im Umlauf. Dabei ist es so wichtig, den Tieren eine artgerechte Umgebung zu schaffen.«
Liebe auf den ersten Blick
Wie aber kam Annie zu den Meerschweinchen, fragen wir äußerst gespannt. »Ach, ich wollte immer schon Tiere haben, durfte es als Kind leider nicht – bis auf den Goldfisch, den mir Opa irgendwann schenkte«, erinnert sie sich schmunzelnd. »Dann – vor 25 Jahren – war es endlich soweit. Unsere damals kleine Tochter Laura wünschte sich halt auch sehnlichst ein Haustierchen. Da ergab es sich, dass Nachbarn für ihre drei Meerschweinchen – Körnchen, Caruso und Callas – neue Halter suchten. Voilà! Wir waren sofort verliebt in die ›Mäuschen‹. Allerdings spürte ich instinktiv, dass der gerade mal ein Meter große Gitterkäfig, in dem sie uns übergeben wurden, viel zu klein war. Gut, genaues wusste ich damals nicht über artgerechte Haltung. Es gab ja zu der Zeit auch noch kein Internet. Intuitiv habe ich aber vieles richtig gemacht und über die Jahre mein Wissen über die Tiere und ihre Bedürfnisse erweitert.«
Kleine Fehler, große Fehler
Doch auch ihr unterlief direkt nach Ankunft von Körnchen, Caruso und Callas ein kleines Malheur. »O ja, ich wollte den Tieren aus dem Bauch heraus einen ›Laufstall‹ schaffen und baute im Garten ein Steckgitter auf, dummerweise mit etwas zu viel Abstand zum Rasen. Zack – weg waren sie, und wir waren total geschockt. Das Schöne: Abends saßen die Drei plötzlich wieder vor ihrem Käfig und warteten auf ihr Essen. Das war so berührend«, erzählt sie uns. Selbstverständlich wurde das Steckgitter sogleich gesichert, und auch das Gehege der Tiere wurde vergrößert. »Dies ist beispielsweise eine Sache, die ganz viele Halter*innen nicht auf dem Schirm haben. Feststeht, dass zwei bis vier Meerschweinchen eine Wohnfläche von mindestens zwei Quadratmetern benötigen, wobei Etagen nicht zur Grundfläche gerechnet werden. Optimalerweise noch eine zwei Meter lange Auslauf-Rennstrecke. Leider findet sich in zahlreichen Internetforen – und auch in einigen vermeintlichen Fachzeitschriften – die Information, 1,2 qm Wohnfläche würden ausreichen. Das ist definitiv falsch! Noch mehr ärgert es mich, dass in manchen ›Meerschweinchen-Führern‹ Mini-Hamsterkäfige abgebildet werden. Ein absolutes No-Go!«, berichtet sie sichtlich verärgert.
Gesellige Gruppentiere – doch bei Böcken fliegen die Fetzen
Was gilt es noch bei der Haltung von Meerschweinchen zu beachten, möchten wir wissen. Annie: »Ganz wichtig ist, dass sie nicht alleine aufwachsen. Meerschweinchen sind Gruppentiere. Die geselligen Tierchen benötigen mindestens einen Partner, um ein glückliches Leben zu führen. Optimalerweise bilden ein Männchen und ein bis mehrere Weibchen eine Wohngemeinschaft, aber auch Teams aus kastrierten Böckchen sind möglich. Nicht kastrierte Meerschweinchen harmonieren allerdings so gar nicht miteinander. Böcke sind nun mal Rivalen, da fliegen die Fetzen! Leider sind viele Menschen diesbezüglich völlig beratungsresistent.«
Neues Zuhause für ›Notfellchen‹
Was damals mit dem fröhlichen Trio Körnchen, Caruso und Callas klein begann, baute sich bei Annie aus Dortmund-Kirchlinde – nur einen Katzensprung bzw. drei Meerschweinchensprünge entfernt von Frohlinde – sukzessive aus. Das Gehege wurde nach und nach vergrößert, und auf einmal gab es Platz für weitere Tierchen, was von vielen Menschen sehr geschätzt wird, erfahren wir: »Ob vom Chef, von der Nachbarin oder Lauras Schulkollegin – wir bekamen halt immer mehr Anfragen, ob wir ihre Tiere im Urlaub zu uns nehmen könnten. Können wir! Aber mehr: Wichtig ist mir auch, ›Notfellchen‹ eventuell ein völlig neues Zuhause zu schaffen. Es gibt schließlich die unterschiedlichsten Gründe, warum man sich von seinen Tieren trennen muss. Dann ist man froh, sie gut aufgehoben zu wissen. Deshalb biete ich seit einiger Zeit eine kleine Notstation. Wenn ich genügend Platz habe, kümmere ich mich gern um Ihre Lieblinge. Das bedeutet nicht, dass ich sie auf dem schnellsten Wege weitervermittle. Sie dürfen sich hier erst einmal in die Gruppe einleben. Ich beobachte sie genau: ihren Charakter, ihre Vorlieben … Wenn ich den Eindruck habe ›Ja, das passt‹ ziehen sie eventuell noch einmal in ein neues, passendes (!) Zuhause.«
Eigene kleine Zucht in großen Gehegen
2018 begann die pensionierte Lehrerin übrigens mit ihrer eigenen Hobbyzucht. Wie kam es dazu, Annie? »Ich züchte, weil es spannend ist, durch Auswahl der Paare bestimmte Merkmale zu vererben und so das Aussehen der nächsten Generation zu planen oder umgekehrt vom Aussehen der Kinder auf den Gencode der Eltern zu schließen. Ich bringe meine Tiere nicht zu Ausstellungen, um Preise zu gewinnen. Dafür habe ich meine Gründe. Dennoch züchte ich überwiegend nach den Standards des MFD BD e. V. Auch bei meinen Zuchtgruppen ist mir artgerechte Haltung selbstverständlich sehr wichtig. Darum sitzen sie bei mir nicht in kleinen Zuchtboxen, sondern in großen Gehegen mit vielen Versteckmöglichkeiten, Platz und Auslauf. Das geschieht natürlich zulasten der Menge an Nachwuchs. Darum gibt es bei mir nur ab und zu einige Babys. Das will ich nicht als Alleinstellungsmerkmal für mich beanspruchen. Viele Züchter denken und handeln da genauso verantwortungsvoll wie ich. Nur leider immer noch nicht alle.«
»Bei Meerschweinchen gibt es ebenso wie beim Menschen keine ›Rassen‹«
Kommen wir jetzt aber doch mal zu Annies ›eigenen‹ Schweinchen. Was genau macht sie aus? »Ich habe mich schlau gemacht bezüglich ›wer mit wem‹ sowie Färbung, schließlich verfügen gerade Meerschweinchen über enorm unterschiedliche Schattierungen. Angefangen habe ich mit Glatthaar, Rosetten und jetzt auch US und Schweizer Kurzhaar-Teddies in ›agouti california‹. Agouti ist die sogenannte Wildfarbe, bei der jedes einzelne Haar zweifarbig ist. Durch Kombinationen gibt es viele unterschiedliche Agouti-Färbungen. California nennt man einen Farbschlag, bei dem die Tiere Abzeichen in Schwarz oder Schoko haben. Diese Abzeichen befinden sich um die Nase herum, an den Ohren, Füßen und den Geschlechtsteilen. Ich mag die Kombination der beiden Färbungen. Ich finde, sie sehen aus wie kleine Koalas. Übrigens gibt es bei Meerschweinchen ebenso wie beim Menschen keine ›Rassen‹ – o nein!«
Intensive Gespräche, schöne Momente
Was bewegt Annie bei ihrem ›tierischen‹ Hobby am meisten? Das macht uns doch neugierig. »Das sind natürlich einmal die wunderschönen Momente mit den Tieren. Das Gefühl, ihnen helfen zu können. Ich lerne durch meine ›Arbeit‹ aber auch so viele nette Leute kennen und führe so intensive schöne Gespräche – da geht mir immer wieder das Herz auf. Was mich besonders freut, sind die positiven Rückmeldungen von den neuen Haltern vermittelter Tiere. Mir werden regelmäßig Fotos und Weihnachtsgrüße geschickt, letztens noch ein Bild von einem Kind, das ›seinem‹ Haustierchen aus dem Buch vorlas. O ja, Kinder haben Spaß mit Meerschweinchen, auf jeden Fall. Aber Vorsicht: Lassen Sie die Kleinen nicht allein mit den Kleinen! Aus dem Käfig genommen – hingefallen – verletzt! Das geht oftmals so schnell. Überhaupt sind Meerschweinchen keine Kuscheltiere. Deshalb und aus vielen anderen Gründen ist es ungemein wichtig, sich hinsichtlich Haltung und Umgang mit den Tieren gescheit schlauzumachen – unbedingt! Sie können gern einen Blick auf meine Homepage werfen, hier gebe ich Ihnen hilfreiche Tipps, und auch das ist mir ein absolutes Anliegen!«
Annie’s Guinnies
Der Name ›guinnies‹ leitet sich übrigens von der englischen Bezeichnung für Meerschweinchen ›guinea pig‹ ab.
Infos zu Annie’s Notstation und Züchtung sowie viele zahlreiche Tipps zu artgerechter Haltung finden sich unter
http://annies-guinnies.de