Fantasy-Horror auf der Insel
Rollenspiel-Nerd Moritz Böger entfacht mit seinem Debütroman ›Die Aschebrut‹ ein spannendes Kopfkino
Es gießt in Strömen, als die Söldner vom Dampfschiff an Land gehen. Auf dem gespenstisch verlassenen Hafengelände stoßen sie auf eine übel zugerichtete Leiche mit pergamentartiger Haut … Die Szene könnte man sich gut zum Auftakt einer neuen Staffel von ›The Witcher‹ vorstellen. Tatsächlich handelt es sich um den Beginn von Moritz Bögers Debütroman ›Die Aschebrut‹. Schon auf den ersten von 350 Seiten entfacht das düstere Fantasy-Abenteuer pures Kopfkino und schürt die Neugier: Was ist auf der Vulkaninsel Skelt vorgefallen?
Hier treiben horrorartige Hautfresser ihr Unwesen
»Ich habe den Roman bewusst so geschrieben, dass auch Leute etwas damit anfangen können, die sonst keine Fantasy lesen«, erzählt der Autor, der gebürtig aus Castrop-Rauxel stammt, kürzlich nach Waltrop umgezogen ist und als Lehrer an einem Gymnasium in Oer-Erkenschwick tätig ist. »Das erste Viertel könnte sich so oder so ähnlich im Jahr 1700 abgespielt haben: Der kleine Söldnertrupp soll im Dienst des Königs ermitteln, warum die wertvollen Schwefellieferungen ausbleiben. Doch was sie auf der menschenleeren Insel entdecken, deutet auf eine größere Katastrophe hin.« Nach und nach werden die Leser*innen hineingezogen in eine gefährliche Welt voller Magie und dunkler Geheimnisse, wo – so viel darf gespoilert werden – neben brutalen Clans auch sogenannte ›Hautfresser‹ ihr Unwesen treiben. Und diesen horrorartigen Kreaturen möchte man beileibe nicht nachts im Dunklen begegnen: ›Den Pfad hinab kam ein Geschöpf, wie ich bisher keines aus der Nähe gesehen hatte. Die Körperform glich der eines Menschen, aber die Arme wirkten länger und endeten in knochig krummen Fingern. Die Haut grau und rau wie Vulkanasche.‹
Wie eine Spielrunde bei ›Dungeons & Dragons‹
An Stellen wie diesen baut sich zwischen den Buchseiten eine regelrecht alptraumhafte Atmosphäre auf. Ob es daran liegt, dass Teile der Geschichte mitten in der Nacht entstanden sind? »Ich hatte plötzlich diese zündende Idee im Kopf, habe mich aus dem Bett in die Küche geschlichen und einen ganzen Stapel Notizzettel vollgeschrieben«, verrät Moritz Böger. Beim späteren Ausformen der Handlung kamen ihm dann seine Erfahrungen mit Pen-&-Paper-Rollenspielen zugute. »Mir haben schon einige meiner Leser mitgeteilt, dass ›Die Aschebrut‹ sie an eine Spielrunde bei ›Dungeons & Dragons‹ oder ›Das schwarze Auge‹ erinnert«, erzählt er. »Und in der Tat haben mich meine Erzählspiel-Kenntnisse beim Plotten und insbesondere beim Entwurf des Settings beeinflusst. Beispielsweise habe ich die Story gezielt auf eine imaginäre Insel am Ende der Welt verlegt. Hier konnte ich viele spannende Schauplätze unterbringen: vom kleinen Hafen über die Geisterstadt und das alte Kloster bis hin zu einem unterirdischen Höhlensystem.«
»Solche Klischees wollte ich unbedingt vermeiden«
Für Fans der klassischen Fantasy-Literatur gibt es auf Skelt viel Neues zu entdecken. Schon das Cover bricht mit den gängigen Erwartungen: Abgebildet sind zwei Gestalten, eine Frau und ein Mann, kriegerisch ausgestattet mit Schwert, Harnisch – und Pistole bzw. Muskete. »Anders als bei Rollenspielen sind Schusswaffen im Buchgenre ja eher ungewöhnlich«, schmunzelt Moritz Böger. »Viele Autoren orientieren sich an Tolkien, und da gibt es Schwarzpulver höchstens bei den Bösen. Solche Klischees wollte ich unbedingt vermeiden.« Deshalb kommen bei ihm auch keine Elben und Orks vor. Statt des strahlenden jungen Helden schickt er authentische Charaktere auf die Reise. Die können dann auch schon mal gesundheitlich oder seelisch angeschlagen sein. Wie zum Beispiel der alte Morten, der es noch ein letztes Mal wissen will, oder die Söldnerin Jördis, die sich als starke Frau in einem Männerberuf behaupten muss. Schlachten spielen sich bei Moritz Böger auch im Inneren ab.
Wie geht es weiter?
Wenn der 39-Jährige nicht gerade an seinen Geschichten feilt, mitten in der Nacht Notizzettel vollschreibt oder im Internet zu ›Nerd-Themen‹ bloggt, kann man ihn mit seinem Hund Frodo beim Spaziergang durch Feld und Flur antreffen. Ideen für den nächsten Band seiner ›Chronik der Söldner‹ hat er dabei schon schon im Hinterkopf. »Allerdings wird es keine typische Fortsetzung werden, sondern ein Roman, der in derselben Welt spielt und den man daher unabhängig vom Erstling lesen könnte.«
Leseprobe ...
›Blutrote Spritzer in der Wohnstube des Hafenmeisters, vertrocknete Blutlachen im Lagerhaus und die Leiche einer Zehnjährigen in der Arbeiterbaracke. Natürlich gab das Anlass zur Sorge. Es war verdammt noch mal klar, dass hier etwas nicht stimmte. Für acht kampferprobte Söldner erwuchs daraus aber kein Grund, die Insel fluchtartig zu verlassen.
Als junger Mann hätte Morten solche Überlegungen als Ausdruck von Feigheit verspottet. Doch die Erfahrung hatte ihn gelehrt, auf sein Bauchgefühl zu hören. Und in Bezug auf die Insel hatte er ein ganz übles.‹
Weitere Infos: hochleveln.de/die-aschebrut