Warum der kleine Franz nicht an den Nöck im Brunosee glaubt ... oder vielleicht doch?
Jule Springwald erzählt
Es war einmal ein kleiner Junge in Castrop-Rauxel, einem verwunschenen Städtchen im Ruhrgebiet, der hieß Franz, glaube ich … Es kann natürlich auch sein, dass er Peter oder Klaus hieß, wer weiß es schon genau? Für diese Geschichte bleiben wir aber mal bei Franz.
Franz war ein neugieriger Lausbub, der mit seinen Freunden gerne die Umgebung erkundete. Im Sommer kam er erst nach Hause, wenn es schon dunkel wurde, und sogar in den Schulferien stand er auf, wenn die Sonne ihre ersten Strahlen über den Horizont schickte, um auch ja keinen Moment zu verpassen. Manchmal schlich er sich schon vor dem Frühstück hinaus. Man stelle sich vor, zu der Zeit gab es keine Computer, Handys, Fernseher oder gar Spielekonsolen, wie wir sie heute kennen, man war also für seine Beschäftigung weitgehend selbst verantwortlich. Aber Franz kannte keine Langeweile, er hatte Freunde, die mit ihm durch die Gegend streiften. Mal waren sie am Kanal zum Schwimmen, mal spielten sie Verstecken in den Feldern … Was sie da so alles im Einzelnen spielten, kann niemand mehr sagen.
Franzens Vater war ein hart arbeitender Bergmann, und er hätte gerne gesehen, dass Franz ein wenig mehr zu Hause gewesen wäre, um der Mutter zu helfen, zum Beispiel beim Kohleschleppen oder Obst-pflücken. Um das zu erreichen, sagte der Vater eines Tages: »Franz, wenn du so weitermachst, holt dich der Nöck vom Brunosee!« Was ein Nöck war, wusste Franz nicht, und dass es im Brunosee etwas geben sollte, das er nicht kannte, konnte er nicht glauben. Statt mehr zu helfen, dachte er: »Das wollen wir doch mal sehen, was das für ein Geselle ist.« Gedacht – getan … Am nächsten Morgen brach Franz zum Brunosee auf, um den Nöck zu suchen. Er stellte sich ans Ufer und rief: »Nöck, du böser Nöck, komm heraus, ich will dich sehen!« Aber es kam niemand heraus, nur die Vögel, die am Ufer im Dickicht brüteten, flogen erschreckt auf. Franz begann, um den See zu gehen, und hin und wieder blieb er stehen, um zu rufen – aber kein Nöck ließ sich sehen. Am Ende war er so erschöpft, dass er am Ufer einschlief, als er sich auf einen Stein gesetzt hatte, um sich auszuruhen. Da hatte er einen seltsamen Traum:
Ein alter Mann kam zu ihm, nahm ihn auf die Arme und trug ihn zu seinem Haus, das ganz grün bewachsen war. Auch der Mann sah irgendwie eigenartig aus, seine Haut war grünlich und seine Augen auch, und seine Kleidung sah aus wie aus Pflanzen gewoben. Er gab ihm zu essen und zu trinken, erzählte ihm, dass er schon sehr lange hier wohne und zeigte ihm einen Garten mit seltsamen Pflanzen, die der Junge noch nie gesehen hatte. Nachdem Franz ausgeruht genug war, wollte er wieder nach Hause. Er bedankte sich bei dem netten alten Mann, der ihn wieder an die Stelle trug, wo er ihn zuvor mitgenommen hatte.
Franz wurde von lautem Geschrei geweckt. Der Vater, die Mutter, die Nachbarn – alle standen um ihn herum und riefen: »Dem Himmel sei Dank, wir dachten schon, wir würden dich nie wiedersehen, als du gestern vom Spielen nicht nach Hause kamst.« Und da wusste Franz, dass er über Nacht nicht zu Hause gewesen war und merkte, dass sein Hemd und seine Hose und auch seine Strümpfe und Schuhe ganz nass waren; in seinen Haaren hingen seltsame Pflanzen. Er fragte nach dem Mann, der ihm Essen und Trinken gegeben hätte, aber keiner kannte ihn, niemand wohnte dort am Brunosee. Und die Pflanzen, die in Franzens Haaren hingen, wuchsen auch in keinem Garten, es waren Wasserpflanzen, wie sie am Grunde des Brunosees wachsen.
Als Franz seinen Freunden das erzählte, lachten sie ihn aus, so dass er die Geschichte dann lieber für sich behielt und heute noch beteuert, dass er NICHT an den Nöck im Brunosee glaubt.
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