Stadtmagazin Castrop-Rauxel: Soziales

»Nach dem Hinfallen stehst du auf, richtest deine Krone grade und gehst weiter«

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Irina Fenske engagiert sich für Migrantinnen in Castrop-Rauxel

Eines vorweg: Irina Fenske hatte es selbst nicht leicht. Als sie mit 21 Jahren aus der Ukraine nach Moskau zog, konnte sie sich kaum genug zu essen leisten, geschweige denn die teuren Windeln für ihren kleinen Sohn. Sieben Jahre und reichlich Berufserfahrung später kämpfte sie als Einwanderin in Deutschland erst einmal um die Anerkennung ihrer Qualifikationen. Heute ist sie angekommen – und möchte anderen Migrantinnen helfen, hier bei uns Fuß zu fassen.

»In Deutschland backen wir Brot, weil es cool ist – ich musste selber backen, um Geld zu sparen«

»Wenn ich sage, dass ich damals kein Geld hatte, heißt es, dass ich wirklich kein Geld hatte«, erinnert sich die 44-Jährige. »Das waren schreckliche Zeiten, Wirtschaftskrise und Russland-Ukraine-Konflikt waren in vollem Gange. In Deutschland backen wir Brot, weil es cool ist – ich musste selber backen, um Geld zu sparen, und habe irgendwann nur noch 47 Kilo gewogen.« Trotz aller Widrigkeiten gelang es ihr, eine Karriere als Businesstrainerin und Personalentwicklerin aufzubauen. »Nach Castrop-Rauxel kam ich als gestandene Geschäftsfrau. Dennoch war es enorm schwierig für mich, die Heimat zu verlassen, mich in einem fremden Land neu zu integrieren. Deshalb möchte ich ausländische Frauen in ähnlichen Situationen unterstützen und mich dazu gerne auch mit anderen engagierten Personen vernetzen und austauschen. Das habe ich mir quasi als Lebensaufgabe gewählt!«

»Frauen haben es häufig schwer«

Die Idee kam ihr bereits vor einigen Jahren während ihrer Tätigkeit in einem Ausbildungszentrum, wo sie eingewanderten Frauen und Männern bei der beruflichen Orientierung und Jobsuche zur Seite stand. »Nach Feierabend kamen diese Menschen oft noch mal auf mich zu und baten um Rat«, erzählt sie. »Ihnen habe ich dann gerne geholfen. Gerade Frauen, die in Deutschland ein neues Leben anfangen, haben es ja häufig schwer: Ihre Abschlüsse zählen nichts, sie fühlen sich alleine und neigen dazu, ihr eigenes Potenzial zu unterschätzen. Viele müssen Traumata verarbeiten. Bürokratie, Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede machen es nicht einfacher. Für Selbstverwirklichung bleibt da kaum Zeit.« Doch gerade Letzteres ist ungemein wichtig für die innere Zufriedenheit, weiß die Businesstrainerin, die Stärke aus der Yoga-Philosophie zieht.

Speaker Slam: Vier-Minuten-Botschaft auf großer Bühne

Mit ihrem Herzensthema hat sich die Castrop-Rauxelerin jetzt auch auf einer internationalen Bühne Gehör verschafft: Beim großen Speaker Slam, der vom Bestseller-Autor Hermann Scherer ausgerufen und in verschiedene Länder übertragen wird, ging sie als eine von rund 50 Redner*innen in den Wettbewerb. »Das Ganze ist wie ein Poetry Slam mit Fachthemen«, erklärt Irina Fenske. »Die Teilnehmer kommen aus unterschiedlichsten Branchen: Medizin, Sport, Marketing … Das Kniffelige: Jeder hat nur vier Minuten, um seine Botschaft zu überbringen – nach Ablauf der Zeit wird eiskalt das Mikro ausgeschaltet.
Da die Veranstaltung bei Youtube live ge­streamt wurde, konnte sogar meine Mutter in der Ukraine zusehen.« Mit ihrem Konzept zur Unterstützung von Migrantinnen begeisterte die Powerfrau nicht nur das Publikum, sondern auch die Jury. Dafür wurde sie mit einem Award ausgezeichnet.

»Unabhängigkeit bedeutet, dass eine Frau arbeitet«

Konzept? Wie dürfen wir uns das vorstellen? »Ein erfülltes Leben basiert auf drei Säulen«, sagt Irina Fenske. »Dem Privatleben, der beruflichen Orientierung und der finanziellen Unabhängigkeit. Wobei die letzten beiden Punkte zusammenhängen, denn Unabhängigkeit bedeutet, dass eine Frau arbeitet, und zwar in einem Job, der ihrer Kompetenz entspricht. Ich kenne tolle Frauen, die in ihrer früheren Heimat als Teamleiterin, Ingenieurin oder Chemikerin erfolgreich waren – und hierzulande putzen gehen, weil ihre Diplome nichts wert sind. Das ist einfach unfair und führt zu Trauer und Enttäuschung, was sich wiederum negativ auf den privaten Bereich auswirkt. Zum Glück lässt sich schon mit kleinen Mitteln viel bewegen, zum Beispiel indem man in Bildung investiert oder – bei Menschen, die bereits eine Dienstleistung anbieten – in eine professionelle Website. Klar ist es nicht leicht, sich vorzukämpfen. Aber mein Motto lautet: ›Egal, wie viel Pech du im Leben hast: Nach dem Hinfallen stehst du auf, richtest deine Krone grade und gehst weiter‹.«

Weitere Infos: Tel. 01 76 / 41 70 95 26

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