»Die Menschen hier haben ihren ­Humor nicht verloren«

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Zu Gast bei der Tafel in Ickern

Auf dem Platz hinter der St. Barbara Kirche hat sich eine beträchtliche Menschenschlange gebildet. Alle tragen Masken, halten Abstand, keiner drängelt, obwohl die mit Obst und Gemüse gefüllten Tüten aus braunem Packpapier bereits zur Abholung bereitstehen, verlockend aufgereiht wie Nikolausgeschenke. Die teils ehrenamtlichen Helfer der Caritas hieven noch die letzten Lebensmittelkisten und Kühlboxen aus dem Lieferwagen. Dann, punkt 13 Uhr, geht es endlich los.

Einwandfreie Produkte, die in der Tonne landen würden

»Wir sammeln die Waren täglich bei den Supermärkten ein und schauen noch vor Ort, was genießbar ist«, berichtet Fahrer Markus Kümmel. In der Regel handelt es sich um einwandfreie Produkte, die kurz vor oder knapp über dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehen und in der Tonne landen würden. Was genau bei den verschiedenen Ausgabestellen der Tafel ankommt, ist immer ein Glücksspiel. »Letzte Woche gab es Milch, Eier und Margarine«, erzählt uns Stammkundin Helga. »Das sind Sachen, an denen man sich erfreuen kann.« Heute wurde kistenweise Blauschimmelkäse geliefert. »Das ist jetzt nicht so mein Fall.« Andere sehen das zum Glück anders. Und so wird unter den Anwesenden auf dem Kirchplatz schon eifrig getauscht. Rund vierzig Kund*innen nutzen das Angebot der Caritas allein in Ickern. Viele kaufen für die ganze Familie ein. Früher wurde ein Tafelausweis benötigt. Inzwischen genügt es, den Einkommens- oder Rentenbescheid vorzuzeigen. Für zwei Euro erhält man eine der gepackten Gemüsetüten – sowie das, was gerade da ist: Brot, Käse, Wurst, Nudeln und einiges mehr.

»Wir sind doch ganz normale Menschen!«

Helga hat die Tafel vor Jahren für sich entdeckt. Sie muss jeden Cent zweimal umdrehen – der Verdienst aus ihrem kleinen Teilzeitjob reicht gerade für das Allernötigste. »Anfangs war es komisch, da musste ich mich dran gewöhnen«, sagt die Sechzigjährige. »Heute stehe ich dazu! Es gibt keinen Grund, sich zu schämen. Wir sind doch ganz normale Menschen! Und es ist toll, dass so ein Angebot existiert. Ich finde es eigentlich sogar ganz schön, jede Woche herzukommen und mich mit den anderen auszutauschen. Wir haben hier unser Clübchen!« »Bei uns in Ickern herrscht eine besondere Atmosphäre«, bestätigt Koordinatorin Nina Diring. »Die Menschen hier haben ihren Humor nicht verloren.«

Trotz Pandemie keinen Tag geschlossen

Viele der heutigen Besucher*innen sind wie Helga seit langem regelmäßig bei der Tafel zu Gast. Doch es zeigen sich auch neue Gesichter. Corona hat die Zahl der Bedürftigen drastisch anwachsen lassen. Einige nutzen auch das Angebot der benachbarten Kleiderkammer, die erst kürzlich wieder geöffnet hat. »Dagegen hatten wir selbst im Lockdown keinen Tag geschlossen«, so Nina Diring. »Außer einmal im Februar – wegen Schnee und Glatteis.« Im Zuge der Pandemie wurde sogar ein zusätzlicher Service entwickelt: Senior*innen, die sich nicht aus dem Haus trauen oder aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen den Weg nicht mehr schaffen, bekommen ihre Lebensmittel von ehrenamtlichen Kräften an die Tür geliefert.

Ickerner Kleingärtner spenden ihre Ernte

Gegen 13.30 Uhr ist die Schlange hinter der Kirche deutlich zusammengeschrumpft. Ein Rollstuhlfahrer scherzt mit den Helfern, ehe er seine Einkäufe auf den Schoß hebt und über den Hof davonbraust. »Tschüss Jungs und Danke! Bleibt schön gesund!« »Mach’s gut!«, schallt es aus dem Kreis von Mitarbeitern und Wartenden zurück. Die meisten von ihnen werden sich nächste Woche wiedersehen. Dann lockt ein besonderes kulinarisches Highlight: frisches Obst und Gemüse, das vom Kleingartenverein-Ickern-Ost e. V. gesponsert wird.

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