Von der ›Reibekuchen-Mafia‹ bis ›Pulp Fiction‹
Im Gespräch mit dem Schauspieler Moritz Mittelberg-Kind
Es gibt diese Lebensläufe, die irgendwie vorbestimmt sind. Moritz Mittelberg-Kind hat als kleiner Dötz nicht nur den Vorlesewettbewerb an seiner Schule gewonnen, sondern auch schon früh seine Liebe zur Schauspielkunst entdeckt. Mit der ›Reibekuchen-Mafia‹ erprobte er in der Aula des Adalbert-Stifter-Gymnasiums erstmalig das Rampenlicht. Inzwischen hat er sein eigenes Theater gegründet und wirkt an vielen Wochenenden in unterschiedlichsten Funktionen auf, hinter und an der Bühne mit. Wir sprachen mit ihm über seine Vorliebe für absurde Charaktere, Publikumsnähe und folgenreiche Münzwürfe.
Erste Rolle in der Theater-AG
»Ich weiß noch, dass ich in der sechsten Klasse total scharf darauf war, in der Theater-AG mitzumachen«, erinnert sich der heute 26-Jährige. »Leider gab es damals am ASG nur eine Gruppe für Oberstufenschüler. Wie das Stück hieß, habe ich vergessen, aber es kam ein Kondombaum darin vor. Damit war ich als Elfjähriger natürlich völlig überfordert. Also hat mein Vater kurzerhand angeboten, eine zweite AG für Jüngere ehrenamtlich zu betreuen. Und hier spielte ich meine erste Rolle, den ›Detektiv KatzSchmitze‹ in einer Mafia-Geschichte.« Die Schul-AG löste sich später auf, was Moritz jedoch nicht davon abhielt, sein ambitioniertes Hobby mit Freunden freizeitmäßig weiterzuverfolgen. Es folgten ein Praktikum am WLT und Engagements in studentischen Theatergruppen. Dann, 2013, nahm Moritz an einem Workshop teil – und lernte hier seinen Schauspielkollegen Raphael Batzik kennen.
»Da sieht man jedes Augenbrauenzucken«
»Wir hatten sofort einen guten Draht, sodass ›Rapha‹ mir nach dem Kurs spontan ein Zweipersonenstück zuschickte und meinte: ›Das könnte man mal ausprobieren.‹ Ich war bislang nur in großen Ensembles aufgetreten, daher wurde ich neugierig. Und schon im nächsten Jahr haben wir zusammen das Theater Essen-Süd ins Leben gerufen.« Die wohl wichtigste Besonderheit dieses sympathischen kleinen Underground-Theaters mit knapp 50 Plätzen ist die Nähe zwischen Akteuren und Publikum. »Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten sind unsere Inszenierungen eher kammerspielartig, mit reduziertem Bühnenbild und einer konzentrierten, minimalistischen Darstellung. Die Zuschauer sitzen direkt vor der Bühne. Da sieht man jedes Augenbrauenzucken. Jedes Wort, jede noch so kleine Geste muss perfekt sitzen. Das ist eine ganz andere Herausforderung, als vor einem großen Saal zu spielen.«
Klassische Dramen und moderne Filmstoffe
Neben klassischen Dramen und Novellen wie ›Faust‹, ›Woyzeck‹, ›Die Verwandlung‹ oder ›Die Marquise von O...‹ hat sich die Truppe der Umsetzung von modernen Filmstoffen verschrieben: Produktionen wie ›Reservoir Dogs‹, ›Pulp Fiction‹, ›Ex Machina‹ oder, ganz frisch, ›Shutter Island‹ zielen vor allem – aber längst nicht nur – auf ein jüngeres, studentisches Publikum ab. »Viele entdecken uns zufällig und kommen dann immer wieder«, freut sich Moritz, der auch als Regisseur, Dramaturg und Bühnentechniker im Einsatz ist.
»Mir liegen die komischen, absurden Charaktere«
Nach seinen Auftritten als Mr. Pink in ›Reservoir Dogs‹, Jules Winnfield in ›Pulp Fiction‹ und Estragon in ›Warten auf Godot‹ kann man den Castrop-Rauxeler aktuell in der Satire ›Emigranten‹ sowie in einer Nebenrolle in dem Psycho-Thriller ›Shutter Island‹ sehen. »Mir liegen die komischen, absurden Charaktere, vor allem wenn die Komik mit ernsten Inhalten gepaart wird. Da habe ich wohl ein ganz gutes Timing.« Das Zweimannstück ›Emigranten‹ birgt darüber hinaus eine besondere Herausforderung für die Darsteller: »Es gibt nur zwei Figuren, einen Gastarbeiter und einen politischen Flüchtling. Rapha und ich werfen vor der Vorstellung eine Münze, die darüber entscheidet, wer welche Rolle spielt.« Er verrät: »Ein bisschen Lampenfieber kurz vor der Aufführung gehört dazu, aber dieser Münzwurf im Beisein der Zuschauer, das ist für mich jedes Mal der pure Adrenalinschub.«
»Jede einzelne Probe macht Spaß!«
In nächster Zeit will Moritz am Theater etwas kürzertreten – vorrübergehend. Als Lehrer für Geschichte und Deutsch startet er bald ins Referendariat. »Sich ausschließlich auf die Schauspielerei zu konzentrieren, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist eine wirtschaftlich sehr krasse Entscheidung. Ich habe das große Glück, dass mir der Lehrerjob ebenfalls gefällt. Theater spielen werde ich selbstverständlich weiterhin. Auch nach so vielen Jahren kann ich sagen: Jede einzelne Probe macht Spaß! Und das ist einfach total geil!«
Weitere Infos: www.theater-essen-sued.de
