Stadtmagazin Castrop-Rauxel: Kunst und Kultur

›Musikalische Perlen der 80er-Jahre‹

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Ein Gespräch mit Tankred Schleinschock über die Vielfältigkeit eines verrückten Jahrzehnts, selbst bespielte Kassetten mit mehr oder weniger geheimen Botschaften und schlaflose Nächte zwischen Hamburg und Castrop-Rauxel

›Bühne raus‹ heißt es vom 22. bis zum 24. Juni wieder im Parkbad Süd, wenn das WLT zu seinem traditionellen Freilicht-Event lädt. Auch die diesjährige große Musikproduktion des Theaters wird wieder in diesem Rahmen Premiere feiern. Der Titel ›Mixtape‹ lässt es erahnen: Nachdem sich Tankred Schleinschock in der letzten Spielzeit mit ›Beat-Club‹ den 60er- und frühen 70er-Jahren gewidmet hat, fängt der begeisterte und begeisternde Musikliebhaber nun in Form eines ›musikalischen Liebesbriefs‹ das Lebensgefühl der 80er ein. Des Jahrzehnts also, in dem er selbst als 23-jähriger Bremer mit Berlin-Erfahrung im vergleichsweise beschaulichen Castrop-Rauxel landete. Und nicht wirklich damit rechnete, auch 35 Jahre später noch hier zu sein und sich dabei kaum älter zu fühlen als damals ...

Sie sind schon seit 1983 durchgängig musikalischer Leiter des WLT. Haben Sie denn zwischendurch auch noch Zeit für andere Projekte gehabt?

Ja, meist in den Sommerferien. Ich habe z. B. in Bad Hersfeld bei den Sommerfestspielen mitgewirkt, auch in Münster und für die Bremer Shakespeare-Company war ich tätig. Und dann war da noch das Schmidt-Theater in Hamburg: 1989 war ich als musikalischer Leiter bei der allerersten eigenen Produktion dort dabei: ›Blaue Jungs‹. Mit Corny Littmann und der damals noch unbekannten Marlene Jaschke. Und Ernie Reinhardt, dessen Figur Lilo Wanders erstmals im Rahmen dieses Stückes entstand. Die Produktion wurde ein unerwartet großer Erfolg, so dass wir letztlich über 90 Vorstellungen absolviert haben – und das lief dann parallel zu meiner WLT-Arbeit: Ich hatte vormittags Probe in Castrop-Rauxel, fuhr anschließend mit dem Zug nach Hamburg zur Abendvorstellung und nachts wieder zurück. Einmal habe ich, glaube ich, einen Monat lang nicht geschlafen ... Das (!) könnte ich dann doch heute nicht mehr (lacht).

Doch zurück in die Zukunft: Ist ›Mixtape‹, das am 22. Juni Premiere haben wird, eher ein Konzert als ein Theaterstück?

Genau, es wird sehr wenig oder sogar gar keinen Textanteil geben. Es geht darum, über die Songs der 80er-Jahre Situationen und Stimmungen zu erzählen. Die Songs dabei so zu montieren, dass sie miteinander korrespondieren, um das Publikum über die sinnliche Wahrnehmung in das damalige Zeitgefühl hineinzuversetzen. Da stören Worte nur – bis auf die Songtexte, die natürlich ein wichtiger Bestandteil sind. Zudem gibt es weitere visuelle Elemente, denken Sie an die Kostüme und die unmöglichen Frisuren der 80er, an Michael Jacksons ›Moonwalk‹ ...

Also ist der Titel durchaus wörtlich zu verstehen: Das Programm selbst ist Ihr höchst eigenes Mixtape der 80er? ›Mixtape‹ bezeichnete ja damals eine mühevoll auf eine Kassette aufgenommene Abfolge von Songs ...

… für eine bestimmte Person, um damit eine mehr oder weniger geheime Botschaft zum Ausdruck zu bringen. Und diese typische 80er-Geschichte ist in meinem Fall durchaus autobiografisch: Ich habe auch für Freundinnen Mixtapes gemacht, um sie ... zu überzeugen (lacht).
Und, ja, dieses Programm ist mein Mixtape ans Publikum, aber auch an die 80er-Jahre. In der Anordnung der Songs ist das enthalten, was für mich damals wichtig war.

Und was zeichnet dieses Jahrzehnt aus, auch im Vergleich zu den 60ern, um die es in ›Beat-Club‹ ging?

In den 60ern gab es im deutschen Fernsehen keine einzige Sendung, in der englischsprachige Musik lief. ›Beat-Club‹ war die erste, einmal im Monat, eine halbe Stunde lang. Und der Moderator musste sich beim Publikum dafür entschuldigen. In den 80ern war das komplett anders. Da lief nichts anderes mehr als englischsprachige Musik im Radio. Mit MTV kam ein reiner Musik-TV-Sender auf, der nur Videoclips ausstrahlte. Es war das Jahrzehnt, in dem man sich nicht mehr vor den Plattenspieler setzen musste, um Musik hören zu können, sondern in dem die Musik einfach da war, total war, allgegenwärtig. Zudem gab es bahnbrechende technische Neuerungen: die CD, den Walkman, den Discman.
Außerdem hat man endgültig die Musik als Industrie entdeckt, inklusive neuer Phänomene wie Merchandising-Artikel. Jede Protestkultur wurde in kürzester Zeit kommerzialisiert. Das führte dazu, dass es ganz viele verschiedene Sparten gab und die Jugendlichen nicht mehr als eine homogene, aufbegehrende ›Protestjugend‹ erschien wie in den 60ern. Dadurch sind die 80er musikalisch so vielfältig: Die Metal-Musik fing an, ein Publikum zu haben, aber auch die New Wave-Musik kam auf. Es gab Popper in schicken Klamotten, es gab die ersten Boy-Bands wie ›New Kids on the Block‹. Daneben erschienen Solophänomene wie Madonna, Michael-Jackson, aber auch das Revival von Tina Turner. Es gab die Stadiontouren der Rolling-Stones, damals schon als ›alte Männer‹ mit Mitte 40 (lacht). Es gab die Neue Deutsche Welle, die oft ärgerlicherweise in monothematischen Rückblicken in ihren seichten Ausprägungen gezeigt wird, die aber auch eine andere, härtere und ursprünglichere Seite hatte, die wir zeigen werden und die sich etwa bei ›Ideal‹ findet.
Von manchen Gruppen weiß man auch gar nicht mehr, dass sie in den 80ern stattfanden. ›Guns N’ Roses‹ etwa hatten ihre ersten Riesenerfolge Ende der 80er. Ein Stück wie ›Sweet Child o’ Mine‹ wird also im Programm ebenso auftauchen wie das großartige ›Jump‹ von van Halen. Und ›Junimond‹, eine Perle der 80er, ein Song für die Ewigkeit, aus Rio Reisers erstem Album ›König von Deutschland‹, das übrigens im Jahr der Tschernobyl-Katastrophe herauskam.

Eine ganz schöne Bandbreite ...

… und trotzdem werden Leute sagen: ›DAS fehlte jetzt aber!‹ Es wird so sein. Aber letztlich ist es MEIN Mixtape, meine subjektive Auswahl. Ich habe damals immer gehofft, dass meine Mixtapes den Personen, denen ich es geschickt habe, irgendetwas sagen wird – und das hoffe ich jetzt genauso. Und das wird auch so sein. Davon bin ich überzeugt, wenn ich der Zusammenarbeit mit den großartigen Darstellern und Musikern entgegensehe. Im Team entsteht noch ganz viel Neues, Gemeinsames, und das macht für mich Theater aus: Es geht immer um eine Gemeinschaftserfahrung, um den Spaß, den das Ensemble auf der Bühne hat und der ansteckend auf das Publikum wirken soll, so dass am Ende alle zusammen zweieinhalb Stunden lang ein Fest feiern. Das ist das Ziel.

Weitere Infos und Karten: www.westfaelisches-landestheater.de

›Bühne raus‹, Parkbad Süd, 22.–24. Juni 2018

Neben ›Mixtape‹ wird es mit der Adaption des Kinderbuchklassikers ›Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt‹ noch eine weitere Premiere im Rahmen des Freiluft-Theater-Wochenendes geben.

Termine:

Fr., 22.06., 19.30 Uhr: Mixtape – Ein musikalischer Liebesbrief an die verrückten 80er (Premiere)
Sa., 23.06., 19.30 Uhr: Mixtape – Ein musikalischer Liebesbrief an die verrückten 80er
So., 24.06., 14.00 Uhr: Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt (Premiere)
So., 24.06., 19:30 Uhr: Mixtape – Ein musikalischer Liebesbrief an die verrückten 80er

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