Mit Hand und Fuß
Wo Eltern ihren Kindern sportlich nacheifern
Zum zweiten Mal sind wir zu Gast beim Taekwon Do Sportverein Castrop-Rauxel e. V. Diesmal sprechen wir während des dreistündigen Trainings nicht nur mit Teilen des Vorstands und Trainerteams, sondern lernen auch andere Vereinsmitglieder und deren familiären ›Anhang‹ kennen. Besonders auffällig ist hier nämlich die generationenübergreifende Begeisterung für den koreanischen Kampfsport. Ursprünglich zum Zweck der waffenlosen Selbstverteidigung entwickelt, wird er nicht nur wettbewerbsorientiert betrieben, sondern fördert auch als beliebter Breitensport Fitness und Selbstbewusstsein, ermöglicht echtes Abschalten vom Alltag, macht Jung und Alt einfach Spaß – und wird hier im Verein von so manchen Familienmitgliedern gemeinsam betrieben.
Die Jüngsten
Am dienstäglichen Trainingsnachmittag bzw.- abend werden in der Turnhalle der Wilhelmsschule stundenweise verschiedene Gruppen trainiert, zunächst die jungen Weiß- bis GelbgürtelträgerInnen, die unter fachkundiger Anleitung gemeinsam Bewegungen und Techniken mit Hand und Fuß einüben. Viele erwachsene Begleitpersonen sitzen am Rand und sehen dem stets konzentrierten und disziplinierten Treiben zu. So wie Serpil, Mutter des 10-jährigen Metehan, der seit gut einem Jahr im Verein ist. »Das Training ist immer unterschiedlich, und die vielen verschiedenen Übungen kann er sich gut merken, auch die koreanischen Begriffe, die er dazu lernt. Alles passt«, erklärt sie, warum sich ihr Sohn nach einem Probetraining für diese Sportart entschieden hat. Für die begeisterten ›Sportskanonen‹ Sophia und Emilia Lieckfeldt ist Takwon Do hingegen nur ein Teil ihres (heutigen) Programms: »Gleich geht’s noch zum Schwimmen, bei Hellas sind die beiden in der Wettkampfmannschaft«, berichtet Frau Lassoff, die Großmutter der Zwillingsschwestern, die auch damit noch nicht ausgelastet sind: »Ein Pony haben die beiden auch noch.« Auch sie ist bei jedem Training dabei, denn beide Eltern sind berufstätig, »da muss die Oma immer ran«, erzählt sie schmunzelnd.
Anstehende Stadtmeisterschaft
Mit den nächsten beiden Trainingsgruppen ändern sich nicht nur die als ›Kup‹ bezeichneten Farben der (für die jeweilige Graduierung stehenden) Gürtel, auch die Altersstruktur der Gruppen wird vielfältiger. Da ist zum Beispiel der 12-jährige Moritz Wagner, seit vier Jahren im Verein, Inhaber des 4. Kup und seit dem letzten Trainingscamp mit dem Spitznamen ›Mozarella‹ bedacht. Mit Vorfreude aber auch Gelassenheit sieht er der am Samstag nach unserem Besuch anstehenden Dortmunder Stadtmeisterschaft entgegen, an der er in der Kategorie ›Synchrontul‹ teilnehmen wird. Beim ›Tul‹ (Formenlauf) werden festgelegte Techniken in vorgegebener Reihenfolge durchgeführt, womit der Kampf gegen einen imaginären Gegner dargestellt wird. Und beim ›Synchrontul‹ praktizieren zwei Beteiligte diesen Formenlauf gemeinsam. Moritz' bald 15-jährige Wettbewerbs-Partnerin kann zwar heute nicht dabei sein, was ihn aber nicht aus der Ruhe bringt, da sie am freitäglichen letzten Training vor dem Wettkampf wieder teilnehmen wird. Auch Pia Sobkowiak freut sich auf die anstehende Stadtmeisterschaft. Die 16-Jährige ist bereits Teil des Trainerteams und Schwarzgürtelträgerin, hat also mit dem so genannten ersten ›Dan‹ die zehn Kup-Stufen hinter sich gelassen. Eine besondere Karriere? »Wenn man immer zum Training kommt mit ganz viel Spaß und einem Kopf, der sagt ›Ich will das machen‹, ist das auf jeden Fall möglich«, meint Pia, deren Vater (nach ihr) ebenfalls Vereinsmitglied wurde, aber beim Kickboxen aktiv ist, der zweiten hier angebotenen Kampfsportart, bei der ihrer Einschätzung nach »eher der Kampf im Vordergrund steht.«
Kinder als Vorbild für die Eltern
Marian Krawetzke hingegen betreibt ebenso Takwon Do wie seine 14-jährige Tochter Xenia, die bereits den blauen Kup erreicht hat und auch einmal Trainerin werden möchte. Und auch Trainer Jörg Novak, Träger des 2. Dan und ebenfalls im Vorstand aktiv, kam ursprünglich über seinen Sohn zum Verein. »Wir haben sechs Väter im Verein, deren Kinder zuerst hier angefangen haben«, berichtet Heinz Leymann. Der erste Vorsitzende und Cheftrainer ist Inhaber des 8. (!) Dan und praktisch der Vater des Vereins, der unter seiner Leitung 2013 gegründet wurde. Der zweite Vorsitzende und Taekwon Do-Abteilungsleiter Harald Kett, der mit dem 3. Dan die zweithöchste Graduierung im Verein innehat, gehört ebenfalls zu diesen Vätern. Und trotz zahlreicher eigener sportlicher Erfolge und langjähriger Vereinszugehörigkeit verweist er gern auf die seiner Tochter Kimberly, die als langjährigstes Mitglied von Anfang an dabei ist und sowohl Kickboxen als auch Taekwon Do mit beeindruckenden Ergebnissen betreibt. Bisheriger Höhepunkt war Anfang des Jahres ein zweiter Platz beim internationalen Wettbewerb ›Open Dutch‹ in den Niederlanden. Doch nicht nur Väter eifern hier sportlich ihren Kindern nach. Auch Sandra Behrens erzählt uns ihre (Familien-)Vereinsgeschichte: Ursprünglich auf der Suche nach einem Sport für die beiden heute 11-jährigen Zwillingstöchter hat sie sich später zusammen mit der älteren, 15-jährigen Tochter angeschlossen, als »Mutter-Tochter-Ding« – nun trainieren sie alle gemeinsam. Was sie besonders schätzt? »Dass immer genug Trainer da sind und ›pro Gurt‹ geübt wird, also getrennt nach Leistungsklassen.«
Mehr als eine sportliche Erfolgsgeschichte
In der Tat fällt auf, dass immer gleich mehrere schwarzbegürtelte TrainingsleiterInnen der jeweiligen Übungsgruppe gegenüberstehen und auf die einzelnen Teilnehmenden achten und eingehen. Dazu gehört auch Denise Steinbrecher, die bereits vor zwei Jahren als damals 17-Jährige den Dan-Status erreichte und die auch als jüngstes Mitglied im Vorstand aktiv ist. Apropos Dan: »Alle Trainer, alle zehn TrägerInnen des schwarzen Gürtels haben diesen Status hier im Verein erreicht, alle haben einmal hier mit weiß angefangen«, berichtet Harald Kett. Doch noch wichtiger als diese sportliche Erfolgsgeschichte sind wohl der Wohlfühlfaktor und Zusammenhalt in einem über 100 Mitglieder starken Verein, dessen Gemeinschaftsaktivitäten weit über Training und Wettkämpfe hinausgehen, in dem zahlreiche Freundschaften entstanden sind und spürbar ist, wie Menschen unterschiedlichen Alters respektvoll miteinander umgehen und harmonieren, der Leidenschaft für ihren Sport nachgehen und diese auch gern weitergeben.
Alles zum Verein, aber auch zahlreiche Informationen über den Taekwon Do-Sport (z. B. die verschiedenen Disziplinen und einzelnen Kup- und Dan-Graduierungen) finden sich auf
www.taekwondo-castrop-rauxel.de
